Flamingos im Schnee

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Autoren: Wendy Wunder

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musste sie für autistisch halten oder so was und machte ein Gesicht, als täte sie ihm leid. Freundlich gab er ihr die Hand und sagte: »Willkommen in Promise.«
    »Danke«, sagte Cam. »Ich würde gern einen Hummer mit zu mir nehmen.« Das würde ihn vermutlich nicht von der Autismusdiagnose abbringen, aber sie war fest entschlossen, einen zu retten. Umso mehr, als sie sah, wie eng es in ihrem Aquarium zuging.
    »Mit zu dir nehmen?« Asher trug eine ausgeblichene Kappe von den Red Sox, mit der er seine Haare bändigte, und ein graues Sweatshirt mit drei kleinen Löchern am Ellbogen. Das gefiel Cam. Männern, die zu adrett und gestylt waren, traute sie nicht. Sein leichter Bartschatten fing die Abendsonne ein und schimmerte golden. Er hatte eine Lederschürze umgebunden und weiße Frotteeschweißbänder an den Handgelenken. Mit Hummern umzugehen muss harte Arbeit sein , dachte Cam. Wie Pferde zusammentreiben oder mit Alligatoren ringen .
    »Ja. Ist das hier ein Hummerzwinger oder nicht?«, fragte sie.
    »Ja, schon«, sagte er, nahm die Mütze ab und kratzte sich am Kopf. Ein bisschen zu ernst für meinen Geschmack , dachte sie.
    »Also, ich möchte einen Hummer als Haustier haben. Kann ich bitte einen von ihnen retten?«
    Asher deutete ein Lächeln an, wobei ein Grübchen in seiner linken Wange erschien. »Klar, ich denke schon. Sie kosten zehn Dollar das Pfund.«
    »Wir haben eine lange Fahrt hinter uns«, unterbrach Alicia sie. »Ist es wirklich zu spät, um etwas zu essen zu bekommen?«
    »Ich frag mal hinten nach und sehe, was sich tun lässt«, erwiderte er und ging in die Küche, aus der sie kurz darauf ein ärgerliches Scheppern mit Töpfen und Pfannen hörten.
    »Bitte, setzt euch«, sagte Asher, als er mit ein paar in Plastikfolie eingeschweißten Speisekarten zurückkam.
    »Sind Sie sicher?«, fragte Alicia. Weiteres Klappern und Klirren aus der Küche.
    »Er wird’s überleben«, antwortete Asher mit einem spitzbübischen Grinsen. »Sagt Bescheid, wenn ihr bestellen wollt.«
    Cam, Alicia und Perry ließen sich in einer Sitznische nieder und wählten von der Karte. Sie waren jetzt schon seit fast einer Stunde in der Stadt, und die Sonne ging immer noch unter. Pfirsichfarbene und violette Streifen, durchzogen von Orange, hingen wie eine Kulisse hinter dem Leuchtturm, der auf einer eigenen kleinen Insel stand, nur wenige Meter vor der die Bucht begrenzenden Halbinsel. Möwen und Pelikane tauchten im Sturzflug nach ihrem Abendessen und hackten auf die Miesmuscheln an den scharfzackigen Felsen ein, deren Silhouetten sich in der Abenddämmerung abzeichneten. Bei diesem Anblick kamen Cam Wörter in den Sinn, die sie noch nie benutzt hatte. Wörter wie zerklüftet , Fischschwarm und Herzmuscheln . Das hier war ein Ort voller Seegetier und Salzluft. Ein völlig neues Ökosystem.
    »Findet es niemand außer mir komisch, dass die Sonne jetzt schon seit ungefähr zwei Stunden untergeht?«, fragte Cam, nachdem Asher Berge von gebratenen Schalentieren in Papierschiffchen an den Tisch gebracht hatte. Abendstimmung , dachte sie, verwandt mit Abenddämmerung, Abendlicht . Noch ein Wort aus dem Zulassungstest für die Hochschulen, das sie noch nie benutzt hatte. Dann bemerkte sie den weißen Punkt des Abendsterns, der sich immer deutlicher über dem Leuchtturm abzeichnete. Normalerweise würde es ihr nicht einfallen, sich etwas zu wünschen, aber an diesem Abend hatte sie einen Wunsch. Ich wünsche mir, dass Lily anruft , sagte sie stumm zu dem Stern. Sie konnte sich nicht vorstellen, diese Krankheit ohne sie bis zum Ende durchzustehen.
    »Ein Wunder!«, schrie Perry. Sie klappte ihr verdammtes Notizbuch auf und krakelte mit ihrem Bleistift schwungvoll Endlose Sonnenuntergänge hinein.
    Alicia hatte ihre gebratenen Venusmuscheln aufgegessen und telefonierte mit Izanagi, das Handy am einen Ohr und die freie Hand auf dem anderen. »Uns geht’s gut«, sagte sie. »Alles wird gut. Hier, sag den Mädchen Hallo.«
    Sie hielt Cam das Handy hin, die eine Schnute zog, die Zunge herausstreckte und es mit Lilys Handgeste wegfegte.
    »Cam!«, beharrte ihre Mom und bedeckte das Telefon. »Er will doch nur wissen, ob es dir gut geht.« Sie hatte nie von Cam erwartet, mit einem der anderen komischen Typen zu reden, die sie aus dem Epcot-Park angeschleppt hatte. Das war etwas Neues.
    Cam schnappte sich das Handy und krächzte irgendwelche Störgeräusche hinein. »Hallo«, sagte sie und machte noch mehr Geräusche, »ich glaube, das