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Flamingos im Schnee

Flamingos im Schnee

Titel: Flamingos im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wendy Wunder
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ihrer Schwester, während sie nach wie vor den Blick in sich aufsog. Und weil sie Schwestern waren, verstand Perry genau, was sie meinte.
    »Ich fühle mich erst besser, wenn du wieder gute Laune hast.«
    »Das kann noch eine Weile dauern.«
    »Vielleicht hätten wir seinen Käfig dalassen sollen«, sagte Perry, woraufhin sie beide zu dem Vogelkäfig hinsahen, der immer noch auf der Rückbank angeschnallt war. Tweetys kleine Schaukel schwang durch die Fahrbewegung leise quietschend hin und her.
    »Nein, ich will ihn behalten«, sagte Cam.
    »Haltet mal nach einem Hotel oder so was Ausschau«, bat Alicia, als sie weiter die Hauptstraße entlangfuhren, vorbei an einer Buchhandlung, einem Café, der Post und einem Hummerrestaurant.
    Jedes Mal, wenn sie von der Hauptstraße abbogen, verfuhren sie sich und fanden nur mit Schwierigkeiten dorthin zurück. Hatten sie die Straße schließlich wiedergefunden, sah sie immer ein bisschen anders aus. Die Buchhandlung schien sich in einen Pub verwandelt zu haben, vor dem ein handgemaltes Schild mit einem goldgelben Bierkrug an seinen Scharnieren schwang. Aus der Post schien eine Bäckerei geworden zu sein. Die farbige Säule vor dem Friseursalon, die Cam an einer Ecke gesehen hatte, war plötzlich ein aufrecht stehender, blauer Thunfisch, das Ladenschild des Fischgeschäfts. Bei der dritten Runde entdeckten sie endlich ein Immobilienbüro, das jedoch schon geschlossen hatte. Sie versuchten, den Schotterweg wiederzufinden, auf dem sie vom Dunkin’ Donuts aus in die Stadt gekommen waren, aber der schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Es gab keine Übernachtungsmöglichkeit und keinen Weg hinaus.
    Alicia geriet ein wenig ins Schwitzen. Sie hing fast über dem Lenkrad und hörte nicht auf, Kaugummiblasen zu machen. Cam merkte, dass sie sich gerade mal wieder sehr als alleinerziehende Mutter fühlte, mit der Betonung auf »allein«, das heißt ohne jemanden, den sie um Rat fragen konnte. Sie zweifelte an sich selbst und verstand nicht mehr, warum sie sich und die Kinder in eine solche Situation gebracht hatte. Cam fühlte sich an jenen Urlaub auf Sanibel Island erinnert, für den Alicia damals ihre letzten Ersparnisse ausgegeben hatte, und dann hatte es die ganze Zeit geregnet.
    Sie fand es schrecklich, wie sehr sie häufig mit ihrer Mutter mitfühlte und ihre Verzweiflung spürte, als wäre sie immer noch durch eine emotionale Nabelschnur symbiotisch mit ihr verbunden, während Perry glücklich und zufrieden hinten saß und die Cremefüllung aus ihrem Whoopiekuchen leckte. Sie hasste es, die Ältere zu sein.
    »Ist schon gut, Mom«, sagte sie. »Wir lassen uns was einfallen.«
    »Danke, Schatz«, sagte Alicia. »Machen wir doch eine Pause beim Hummerlokal.«
    Cam verstand nicht, warum das Lokal »Lobster Pound« – Hummerzwinger – hieß, höchstens vielleicht, weil die Hum mer dort zum Sterben hinkamen. Erinnerte irgendwie an »städtischer Hundezwinger«. Handelte es sich etwa um böse, bissige, streunende Hummer? Oder um brave, gesetzestreue Krustentiere, die sich auf dem Meeresgrund um ihre eigenen Angelegenheiten kümmerten? »Hummerzwinger« war jedenfalls ein unappetitlicher Name für ein Restaurant.
    Es befand sich in einer Bretterbude aus grauen Holzschindeln, die auf Pfählen stand und ins Meer hinausragte. Jemand hatte Plastikhummer an die Außenwand getackert und dann grausam ein altes Fischernetz über sie geworfen. Auf dem roten Dach mit der kleinen Kuppel fungierte ein Hummer aus Messing als Wetterhahn. Drinnen standen ein paar Klapptische mit rot-weiß-karierten Tischdecken.
    Die Tür fiel geräuschvoll hinter ihnen zu und brachte die Glöckchen an einem Lederriemen um den Griff zum Klingeln.
    »Wir schließen gleich«, sagte ein gut aussehender Junge mit breiten Schultern. Er hatte gewellte, schulterlange Haare, die vorwiegend braun waren, aber zu den Spitzen hin immer goldblonder wurden und sich wild in alle Richtungen lockten, als wollten sie der Sonne entgegenwachsen.
    »Ich heiße Asher«, stellte er sich vor. »Seid ihr neu in der Stadt?«
    »Wie hast du das erraten?«, fragte Cam. »Der Anhänger?«
    Asher sah sie verwirrt an, und sie merkte, dass sie ihn mit ihrem Spruch überrumpelt hatte.
    »Ich meine, ja, wir sind neu hier und haben diesen Monsteranhänger mit den ganzen Sachen aus unserem Haus dabei, weil wir sie hierher mitnehmen wollten, in diese Stadt … in der wir … neu sind«, stammelte Cam und wurde mit jedem Wort roter.
    Asher grinste. Er

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