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Flamingos im Schnee

Flamingos im Schnee

Titel: Flamingos im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wendy Wunder
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nervös, dass sie nicht aufhören konnte zu reden. »Sind das Trommelstöcke in deiner Hose, oder freust du dich nur, mich zu sehen?«, plapperte sie. »Heißt nein in Frankreich auch nein, oder bedeutet nein manchmal auch oui ? Denn in Maine heißt nein, glaube ich, schon meistens nein. Obwohl sie hier oben ja ein bisschen rückständig sind, weshalb es sich vielleicht noch nicht herumgesprochen hat, dass nein nein heißt …«
    »Sagst du jetzt nein?«, fragte Alec.
    »Nein«, sagte Cam.
    »Pst«, machte Alec, während er ihre Lippen mit dem Zeigefinger nachfuhr und sie dann voll auf den Mund küsste. Seine Zunge war zuerst ein bisschen zu forsch, und seine Zähne, die ein wenig vorstanden, stießen dauernd gegen ihre eigenen und bissen sie leicht. Seine Hand glitt unter den Bund ihrer Jeans und wollte sich in ihre Unterhose zwängen.
    »Ja!«, sagte Cam und versuchte, sich aufzusetzen.
    »Das fühlt sich gut an, ja?«, fragte Alec.
    »Nein. Ich meine ja, ich sage nein.«
    Er sah ihr selbstbewusst in die Augen, als könnte er ihre Gedanken besser deuten als sie selbst und würde sowieso das letzte Wort in der Situation haben. »Nein. Du sagst nicht nein«, entschied er und küsste sie nun zärtlicher, spielte mit ihrer Zunge. Er hatte eine phantastische Zunge, die die schlechten Zähne eindeutig wettmachte. Er küsste ihr Ohr, ihren Hals, die zarte Haut an der Innenseite ihres Ellbogens, ihre Handfläche. Cam entspannte sich so weit, dass es sich schön anfühlte, und dann fühlte es sich auf einmal nicht mehr schön an, und dann war es vorbei.
    Er lag zusammengesackt auf ihr, als sie eine Mädchenstimme von der anderen Seite der Felsen her »Alec!« rufen hörten. Schnell zog er seine Hose hoch, während Cam sich von dem Katamaran herunterkugelte und sich hinter einem seiner beiden Rümpfe versteckte.
    »Tut mir leid«, flüsterte Alec, »ich muss gehen.«
    Cam beobachtete von ihrem Platz unter dem Boot aus, wie seine weißen Tennisschuhe durch den Sand in Richtung der Mädchenstimme trabten.
    Es war unmöglich, sich einen würdevollen Abgang zu verschaffen, wenn man auf einer Insel festsaß. Cam versuchte, sich davonzuschleichen und eigenhändig die Seilbahn zu benutzen, doch Asher kam ihr nach.
    »Cam!«, hörte sie ihn rufen.
    Sie ignorierte ihn und stieg in die rostige alte Gondel, knallte scheppernd die Tür zu und zog an dem Seil. Es quietschte laut, und sie kam nur im Schneckentempo voran. Sie zog und zog, befeuert von der Peinlichkeit ihrer Lage. Ein paar Leute hatten sich schon neugierig versammelt und sahen zu, wie sie sich solo an dem Kabel abmühte. Bald war sie erschöpft und kämpfte mit den Tränen. Zusammengesunken saß sie in der Gondel, die im Wind laut knarrend schaukelte.
    »Cam!«, schrie Asher. »Campbell, sieh nach unten.«
    »Solltest du nicht vielmehr sagen, bloß nicht nach unten sehen?«
    »Nein, guck runter.«
    Cam stand vorsichtig auf, um die kleine Gondel nicht noch mehr ins Schwanken zu bringen. Als sie über den Rand blickte, sah sie, dass kein Wasser mehr zwischen dem Festland und der Leuchtturminsel war. Der kleine Kanal war ausgetrocknet und hatte nichts als steinigen Strand zurückgelassen.
    »Es ist Ebbe, Cam. Du kannst zu Fuß rübergehen.«
    Asher drückte einen Knopf, woraufhin das Kabel, an dem sie hing, sich von allein bewegte wie ein Skilift, zurück auf die Insel. Cam stieg aus und überquerte den Kanal zu Fuß. An den Nachhauseweg konnte sie sich später nicht mehr erinnern.
    Nachdem sie sehr lange geduscht hatte, wickelte Cam sich in den Bademantel ihrer Mutter und setzte sich auf ihr Bett in der Witwenkuppel. Sie holte die Flamingoliste heraus und nahm ihren schwarzen Filzstift zur Hand. Meine Unschuld auf einer Fassbierparty verlieren. Häkchen. Ob nun ein Bierfass dabei war oder nicht, spielte keine Rolle. Mir das Herz von einem Arschloch brechen lassen. Häkchen.
    Auf diese Erfahrung hätte sie gut und gern verzichten können. Wobei das erste Mal immer schrecklich sein sollte, wie es hieß. Schade nur, dass ihr erstes Mal auch ihr letztes Mal sein würde.
    Sie wünschte, sie könnte diese Nacht einfach vergessen. Ein gesunder Mensch würde das tun. Gesunde Menschen waren mit einem selektiven Gedächtnis gesegnet. Sie dagegen erinnerte sich krankhaft an alles und jedes. Jede Einzelheit klebte in ihrem Gehirn fest wie Spuckkügelchen an einer Tafel. Was eine feine Sache war, wenn man gerade eine Prüfung schrieb, aber furchtbar, wenn man Alecs Zähne vergessen wollte

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