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Flamme der Freiheit

Flamme der Freiheit

Titel: Flamme der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgid Hanke
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Rang abzulaufen. Sie bestand darauf, dass Eleonora den Ehrenplatz an ihrer Seite erhielt. Prompt runzelte ihre Schwiegertochter verärgert die Stirn. Gräfin Dorothea ignorierte wie üblich Gräfin Elisabeths Verärgerung. Immer wieder nötigte sie Eleonora, doch etwas zu essen, ließ es sich nicht nehmen, ihr die leckersten Bissen persönlich auf dem Teller vorzulegen.
    Aber Eleonora war immer noch zu aufgewühlt, um mit gewohnt gesundem Appetit diese Delikatessen zu genießen. Irgendwie gelang es ihr schließlich, im Getümmel der sich auflösenden Tafel zu entschlüpfen. Sie wollte allein sein. Es war alles zu viel für sie gewesen, die anstrengenden Proben der letzten Wochen, die überraschende Ankunft des jungen Grafen, die aufregende Generalprobe, bei der alles schiefgegangen war, und heute Abend die lang ersehnte, aber genauso gefürchtete Aufführung.
    Eleonora wusste, dass sie nicht nur gut, sondern hervorragend gesungen hatte. Ein rauschender Erfolg, wie auch die zahlreichen Da-capo-Rufe des anspruchsvollen Publikums ihr bewiesen.
    »Du hast eine große Zukunft vor dir«, hatte Gräfin Dorothea zu ihr gesagt. Neben ihr stand Alexander und lächelte bestätigend zu den Worten von »grand-mère«. Natürlich hatte Eleonora später bemerkt, wie er während des Essens immer wieder zu ihr hingeschaut hatte. Auch vermeinte sie immer noch die Berührung seiner Hand, als sie sich vor dem tobenden Publikum verneigten, auf ihrer Haut zu spüren.
    Orpheus’ wehes Klagen, als er Eurydike für immer verloren hatte, klang noch in ihr nach.
    Fröstelnd zog Eleonora die Stola, die sie sich rasch beim Verlassen des Speisesaals übergeworfen hatte, fester um die Schultern. Der Park von Schloss Sophienhof war festlich illuminiert, eine verwunschene Märchenlandschaft, die ihr das Geschehen der letzten Stunden noch unwirklicher erscheinen ließ. Sie wusste selbst nicht, wohin sie ihre Schritte lenkte. Erst als sie im Schatten einer dunklen Hecke stand, bemerkte sie, dass es sie wie magisch zurück zur Bühne gezogen hatte.
    Die Stühle des Orchesters waren verlassen. Die Musiker ließen es sich bei Essen und Trinken in dem eigens für sie errichteten Zeltpavillon schon längst gutgehen. Eine einsame Fackel loderte noch auf der Bühne. Sonst war ringsumher alles dunkel.
    Keine drei Stunden war es her, dass sie Hand in Hand mit ihrem Orpheus dort oben gestanden hatte. Mit tiefen Verneigungen nahmen sie beide die Ovationen des Publikums entgegen. War es wirklich so geschehen oder alles nur ein Traum? Eleonora seufzte vor Erleichterung, alles so gut hinter sich gebracht zu haben. Warum war sie aber dann von so einer unbestimmten Traurigkeit erfüllt, die sie sich nicht erklären konnte?
    »Eleonora«, rief es leise hinter ihr. Sie erkannte seine Stimme sofort.
    »Ja«, erwiderte sie kaum vernehmbar. Langsam drehte sie sich um. Sie zitterte am ganzen Körper.
    »Eleonora«, wiederholte Alexander und trat aus dem Dunkel der Nacht.
    »Sie haben mich erschreckt«, sagte Eleonora.
    »Das wollte ich nicht«, entschuldigte er sich sofort. »Du zitterst ja. Ist dir so kalt?«
    »Ja, ich friere«, gab sie zu und versuchte vergeblich ihr Zittern zu unterdrücken.
    »Oder hast du Angst vor mir?«, erkundigte er sich lächelnd.
    »Warum sollte ich Angst vor Ihnen haben«, protestierte sie schwach.
    Alexander trat einen weiteren Schritt auf sie zu. »Das frage ich mich auch.« Jetzt stand er unmittelbar vor ihr. Mit jeder Faser ihres Körpers war sich Eleonora seiner Gegenwart bewusst. Eine magische Anziehung ging von ihm aus. Sie musste schlucken. »Meine Eurydike«, sagte er zärtlich. Er streckte die Hand aus und umfasste behutsam ihr Kinn. Sachte hob er ihr Gesicht zu sich empor. Er betrachtete sie konzentriert. »Wie schön du bist!«, stellte er fest.
    Wie gebannt schaute Eleonora zu ihm empor. Was für einen sinnlichen Mund er hatte. Und diese großen Augen, in deren glänzender Tiefe sie sich zu verlieren drohte. Sie zitterte noch mehr. Alexander neigte sich über sie.
    »Bitte nicht«, flehte sie. Da hatten seine Lippen schon die ihren berührt. Erst durchfuhr es sie wie ein Blitzschlag. Als sie sich dem sanften Druck seiner Lippen öffnete, durchströmte sie ein heißes Gefühl, angenehm und brennend zugleich, ein Feuerstrahl, in dem sie zu verglühen drohte. Das unbeherrschbare Zittern war vorbei. Eleonora hob sich auf die Zehenspitzen. Mit beiden Armen umschlang sie Alexander und erwiderte seinen Kuss mit ungekannter Leidenschaft.

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