Flamme der Freiheit
tausendmal über das Vergnügen eines saftigen Küchentratsches im Souterrain von Schloss Sophienhof. Ein tiefer Seufzer der Erleichterung entwich ihr.
»Soso, na ja«, brummelte Prohaska, immer noch nicht so ganz zufrieden.
»Es ist seine Lieblingsstute, aus einem ganz edlen Arabergestüt«, setzte Jean noch einen drauf. Er verbeugte sich beflissen. »Entschuldigen Sie mich, ich habe versprochen, dem jungen Grafen einen kleinen Imbiss und einen Stärkungstrunk in die Stallungen bringen zu lassen.«
Er verzog sich, und Prohaska schien endlich überzeugt. Widerstandslos ließ er sich nun von Eleonora in Richtung des Festsaals ziehen.
»Carissima, da sind Sie ja. Ich habe Sie ja so vermisst«, kam Eleonora der Maestro entgegengestürzt. »Madonna mia, wie können Sie es wagen, Ihren alten Maestro so lange Ihrer entzückenden Gegenwart zu berauben.«
Eleonora lachte hellauf. Diesem alten Charmeur war einfach nicht zu widerstehen. Wie oft hatte er sie in den vergangenen Jahren gequält, getriezt mit endlosen Tonleitern, gepiesackt mit langwierigen Übungen. Er hatte sich nicht mal gescheut, ihr mit dem Taktstock eins über die Wange zu ziehen oder gar mit spitzem Finger in ihr Zwerchfell zu piksen. »Da sitzt der Ton, von da unten musst du singen!« Aber heute Abend war er ganz »Cavaliere«, bestand darauf, mit seinem Schützling »la Signorina Nora« einen Extratanz zu wagen. Er war stolz auf sie. Es war kaum auszumachen, wer an diesem Abend stolzer auf das schöne junge Mädchen, Tochter eines Kriegsveteranen aus Potsdam und begnadete Sängerin, nach dieser Premiere war, der eigene Vater, Maestro Farini oder Gräfin Dorothea.
Und Alexander? Hatte dieser nicht auch vor Stolz und Bewunderung gestrahlt, als er sich neben ihr auf der Bühne verbeugte?
2
Herbst 1801
U ngeduldig zog Gräfin Dorothea an der seidenen Klingelschnur ihres kleinen Salons. Es war bereits eine Viertelstunde über der gewohnten Zeit, und Jean war immer noch nicht aufgetaucht.
»Wo bleibt er denn?«, schimpfte sie leise vor sich hin und zog erneut an der Klingelschnur. Im selben Moment öffnete sich die hohe Flügeltür ihres Salons, und ihr alter Diener schob sich mit einer tiefen Verneigung in den Raum. Vor sich trug er das Tablett mit dem silbernen Teeservice, aus dem ihr täglich um dieselbe Zeit der »five o’clock tea« kredenzt wurde. Von einem durchreisenden englischen Earl, einem ganz entfernten Verwandten, hatten die Prewitzens dieses nachmittägliche Ritual schon vor Jahren in ihrem Haushalt eingeführt.
»Bitte die Verspätung vielmals zu entschuldigen«, sagte Jean, verneigte sich erneut und stellte das Tablett auf das Tischchen vor dem marmornen Kaminsims.
»Schon gut, schon gut«, winkte die Gräfin ungeduldig ab. »Viel mehr interessiert mich, wo die jungen Damen bleiben.«
»Demoiselle Sophie liegt leider unpässlich in ihrem verdunkelten Zimmer, Charlotte ist von ihrem Ausritt noch nicht zurückgekehrt«, hub Jean zu einer langatmigen Erklärung an.
»Wo ist Eleonora?«, unterbrach ihn die Gräfin. Das war es, was sie am meisten interessierte. Sie machte sich große Sorgen um ihren Schützling.
Fast ein Vierteljahr lag ihr triumphaler Auftritt als Eurydike nun schon zurück. Aber dass Eleonora ihren Erfolg in vollen Zügen genossen und ausgelebt hatte, konnte man ihr nicht nachsagen. Das Gegenteil schien der Fall zu sein. So strahlend schön die junge Sängerin sich noch auf der Bühne verneigt, so liebreizend sie an der Seite der Gräfin beim anschließenden Souper gewirkt und mit einem schüchternen Lächeln all die Komplimente und Lobpreisungen entgegengenommen hatte, so erschien sie in den unmittelbar darauffolgenden Tagen zunächst verwirrt und schließlich zunehmend verstört.
Gräfin Dorothea sah sie noch vor sich, wie sie mit Maestro Farini spät nach Mitternacht ein traditionelles Menuett tanzte. Der verklärte Ausdruck ihres Gesichts passte überhaupt nicht zu dem um ihre schlanke Figur hopsenden alten Musiker, der sich spreizte wie ein alter Gockel. Den ganzen Abend prahlte er damit, der einzig wahre und alleinige Entdecker von »Signorina Nora« zu sein. Das hatte wohl auch ein bisschen mit dem ungewohnten Champagnergenuss zu tun, den er sich in dieser Nacht gegönnt hatte.
Zum Schluss war er so beschwipst gewesen, dass er vorsorglich von Jean und einem der jungen Pagen in sein Zimmer geleitet werden musste. Der Glanz in Eleonoras Augen hingegen rührte keineswegs von dem Genuss ungewohnten
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