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Flamme der Freiheit

Flamme der Freiheit

Titel: Flamme der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgid Hanke
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Eigenmächtigkeit, im Dezember 1812 die Konvention von Tauroggen ohne seine Zustimmung zu unterzeichnen, hatte er Generalleutnant von York bis heute nicht verziehen. Die Bewunderung, die man von York für diesen mutigen Schritt allenthalben zollte, war für ihn nur schwer nachvollziehbar. Damit stand Friedrich Wilhelm jedoch nicht alleine, denn auch etliche fürstliche Mitglieder des Rheinbunds verhielten sich nach den militärischen Niederlagen der Franzosen weiterhin neutral. Sie bekundeten dem französischen Kaiser ihre nach wie vor bestehende unerschütterliche Loyalität.
    Von all diesen Hintergründen hatte Eleonora bei ihrer überstürzten Flucht aus dem Vaterhaus noch nichts geahnt. Davon erfuhr sie erst während ihrer wochenlangen Odyssee durch das östliche Preußen, bis sie schließlich mit all den anderen jungen Männern, meist Handwerker oder Studenten, am militärischen Sammelplatz von Breslau eingetroffen war. Für die hochgewachsene Eleonora war es unproblematisch, sofort als Freiwilliger aufgenommen zu werden. Die verräterische Wölbung ihres Busens verbarg sie unter einem festen Verband. Nachdem der Milchfluss versiegt war, schienen ihre Brüste sogar kleiner als zuvor. Mit dem weiten weißen Hemd darüber war nicht mehr die Andeutung einer weiblichen Rundung erkennbar. Sich dem Heer der Freiwilligen anzuschließen, bedeutete für sie wie für alle anderen auch, sich selbst eine Uniform beschaffen zu müssen. Schweren Herzens trennte sich Eleonora für immer von dem Pelzmantel der Gräfin Dorothea. Das wertvolle Erbstück hatte ihr jahrelang und gerade in jüngster Zeit so gute Dienste geleistet. Schon bei der Rekrutierung war er dem Feldwebel aufgefallen. Im Freikorps war der Zobel gefährlich für sie geworden, verriet sein Schnitt immer noch zu große Eleganz, weibliche Eleganz, die mittlerweile gar nicht mehr zu ihrer äußeren Erscheinung passte. Sie hatte sich inzwischen an ihre kurzen Haare gewöhnt. Nur selten ertappte sie sich noch dabei, dass ihre Hand irritiert über die kurzen Stoppeln auf ihrem Schädel fuhr, fast suchend im Nacken ruhte, um dort den nicht mehr vorhandenen Knoten festzustecken.
    August Renz nannte sie sich. Warum? Sie wusste es selbst nicht. Der Name war ihr in jener Nacht einfach so in den Kopf geschossen. Sie hatte ihn beibehalten. August Renz schien ihr der passende Name für einen jungen Schneiderburschen.
    Die Angehörigen dieser Handwerkszunft zeichneten sich nicht durch Kraft und Stärke, sondern durch Geschicklichkeit und Beweglichkeit aus. Das waren genau die Eigenschaften, die man beim Lützowschen Jägerbataillon auch an dem flinken Burschen Renz sehr schnell zu schätzen lernte. Zunächst hatten die Kameraden sich ja über seine hohe Stimme lustig gemacht, aber mit einigen saftigen Flüchen und Redensarten aus der untersten Schublade hatte der junge Schneider den Spöttern rasch das Maul gestopft. Sogar dass er den Tabak verschmähte und bei Trinkgelagen nicht mithielt, sah man ihm nach. Dass er sich beim Biwakieren abseits vom Schlaflager der anderen hielt, betrachtete man als eine kleine Marotte. August Renz duldete nachts nur den fünfzehnjährigen Arnold in seiner Nähe. Der wiederum betrachtete den jungen Schneider als so etwas wie einen älteren, ihm Schutz gewährenden Bruder.
    Eleonora knabberte an ihrem Bleistift und schob ihn hinter das rechte Ohr. Nachdenklich ließ sie ihren Blick über die wellige Landschaft wandern. Hinter einer der Anhöhen am Rande der Horizontlinie sollten sich die Franzosen verbergen.
    Wie gerne hätte Eleonora selbst einen großen Bruder an ihrer Seite gehabt. Aber Johannes blieb verschollen. Aus ihrem Vater war über seinen Verbleib niemals etwas herauszubekommen gewesen. Das Einzige, was sie über ihren älteren Bruder jemals hatte in Erfahrung bringen können, war, dass er zu den Soldaten gegangen war. Umso genauer erinnerte sie sich immer noch an das Zusammengehörigkeitsgefühl, das sie in den harten Jahren des Potsdamer Waisenhauses aneinandergeschmiedet hatte. Johannes hätte bestimmt Verständnis für ihre Entscheidung gehabt. Plötzlich kam ihr eine Idee.
    Wenn es ihr so schwerfiel, an den Vater zu schreiben, war es vielleicht leichter, so zu tun, als schriebe sie an ihren älteren Bruder. Entschlossen richtete sie sich auf. Sie griff nach dem Bleistift hinter dem Ohr, leckte die Mine an und begann zu schreiben.
    »Lieber Bruder!
    Nun habe ich Dir etwas ganz Neues zu erzählen, worüber Du mir aber vorher

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