Flamme der Freiheit
versprechen musst, nicht böse zu sein. Erstaune nicht, aber schelte auch nicht. Ich bin seit vier Wochen schon Soldat. Du weißt, dass der Entschluss schon seit Anfang des Krieges meine Brust beherrschte. Ich war im Inneren meiner Seele überzeugt, keine schlechte oder leichtsinnige Tat zu begehen, denn sieh nur Spanien und Tirol, wie da die Weiber und Mädchen handelten. Ich verkaufte also den Zobel meiner geliebten Gräfin Dorothea.« Sie überlegte kurz und strich dann die sechs letzten Worte. Für derlei Sentimentalitäten hätte ein Mann kein Verständnis. »… mein Zeug«, verbesserte sie, »um mir erst eine anständige Manneskleidung zu kaufen, bis ich Montierung erhielt. Dann kaufte ich mir eine Büchse für acht Taler, Hirschfänger und Tschako, zusammen für drei und einen halben Taler. Nun ging ich unter die Schwarzen Jäger.«
Eleonora hielt inne. War das eine Arbeit gewesen, die für den Pelzmantel erstandene Manneskleidung auch schwarz zu färben. Aber Schwarz war nun einmal die einzige Farbe, die alle anderen überdeckte. Nur mit dem Einfärben der Kleidung war es gelungen, dem bunt zusammengewürfelten Heer der Freiwilligen zumindest ansatzweise den Eindruck eines einheitlichen Erscheinungsbildes zu verleihen.
Schon nach wenigen Monaten waren die Schwarzen Jäger weit über die Stätten ihres Wirkens hinaus ein Begriff geworden. Der Dichter Theodor Körner verewigte ihre Heldentaten in einem feurigen Gedicht über »Lützows verwegene Jagd«. Er selbst hatte seine sichere Stellung als geschätzter Poet des Wiener Hoftheaters verlassen, um sich ebenjener Truppe anzuschließen. Eleonora hielt sich einiges darauf zugute, diesem verwegenen Haufen anzugehören.
Von ihren Kameraden hatte bislang nicht einer nur den Hauch einer Ahnung, dass sich hinter der Maskerade des jungen Schneiders mit der hohen Stimme und der frechen Klappe eine wagemutige junge Frau versteckte.
»Meiner Klugheit kannst Du zutrauen, dass ich unerkannt bleibe«, setzte Eleonora ihren Brief fort. »Ich habe aus Vorsicht meinen Namen geändert. Wenn Du mir schreibst, so unterzeichne mit meinem angenommenen Namen, denn Du weißt, Briefe haben so mancherlei Schicksale. Wir exerzieren, tiraillieren und schießen recht fleißig, woran ich sehr viel Vergnügen habe. Ich treffe auf hundertfünfzig Schritt die Scheibe.«
Eleonora unterbrach das Schreiben erneut. Darauf war sie besonders stolz. Sie hatte selbst nicht geahnt, was für ein guter Schütze in ihr steckte. Das hatte sie erst vor zwei Jahren während ihres letzten Sommers auf Sophienhof erfahren. Im Nachhinein erfüllte es sie mit triumphierender Befriedigung, dass Alexander gar nicht versucht hatte sich mit ihr zu messen. Es war das erste Mal seit Friederikes Geburt, dass sich nicht Wut und Empörung in ihr regten, sondern sie fast versöhnlich an den Vater ihres Kindes denken konnte.
Eleonora machte das Schießen Spaß. Die Konzentration, die Anspannung, das Anvisieren der Zielscheibe, das tiefe Durchatmen und dann: Schuss!
Bislang hatte sie noch nicht auf einen Menschen schießen müssen. Die unmittelbare Berührung mit dem Feind war ihr erspart geblieben. Ihr Vorgesetzter, der junge Leutnant Dr. Förster, unterrichtete seine Leute immer genau über dessen Bewegungen. Schon mehrere Male hatte Eleonora es blau oder rot zwischen den Baumstämmen des gerade noch in Sichtweite erkennbaren Walds aufblitzen sehen. Jedes Mal hatte sich ihr Pulsschlag beschleunigt. Aber zu einem direkten Angriff war es bis heute nicht gekommen. Wie ihre Kameraden sehnte sie daher mittlerweile eine kriegerische Auseinandersetzung herbei.
»Wozu das ganze Marschieren, Exerzieren, Biwakieren, tagelang in Drecklöchern lungern und lauern? Ich will endlich kämpfen!« Diesem Stoßseufzer, den heute Morgen Ernst Bellermann beim Aufstehen verlauten ließ, hätte sich Eleonora sofort anschließen können. Ihr Wanderkamerad war in derselben Einheit gelandet wie sie.
Seit Wochen hatte es südlich der Elbe zwischen Dannenberg, Quickborn und Damatz immer wieder Gefechte gegeben. Eine große entscheidende Schlacht blieb jedoch aus. Aber nun lag etwas in der Luft. Am linken Elbufer lauerte bereits General Pécheux, Kommandeur des XII . französischen Armeecorps in Hamburg, um die aus Husaren-, Kosaken- und Jägereinheiten bestehenden Freikorps aufzureiben. Marschall Davout, an der Seite Napoleons während der Schlachten von Auerstedt und Eggmühl durch Siege verwöhnt, wollte über Münster, Bremen, Hamburg
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