Flamme der Freiheit
bekennen, und außerdem sind Sie viel zu schade für ihn.«
»Wie kann die Tochter eines einfachen Potsdamer Unteroffiziers des Zweiten Königlichen Gardebataillons zu schade für einen Grafen von Prewitz zu Kirchhagen sein?«
»Weil Sie eine Berufung haben und der junge Graf nur einen Beruf«, erwiderte der Konzertmeister der Berliner Oper.
»Graf Alexander ist ausgesprochen musikalisch. Er hat einen vortrefflichen Orpheus abgegeben«, verteidigte Eleonora ihren einstigen Bühnenpartner.
»Ich habe davon gehört. Ist ja schon einige Jahre her. Er soll sich wacker geschlagen haben, aber die Entdeckung dieses Abends waren Sie, Eleonora, Sie, die blutjunge Sängerin, die nun kurz vor ihrem ersten echten Operndebüt steht. Denken Sie immer daran, und denken Sie daran, dass Sie das Vermächtnis Ihres alten Maestro Farini zu erfüllen haben«, beschwor sie Schilling.
»Ob ich das überhaupt kann«, bezweifelte Eleonora, plötzlich mutlos geworden.
»Sie können es, und ich werde Ihnen dabei helfen. Sie müssen sich nur immer an das halten, was Farini Ihnen sagte und ich Ihnen in Zukunft sagen werde«, versprach Schilling und richtete sich wieder auf.
12
S o hatte sich Eleonora in der folgenden Zeit tatsächlich an Farinis Vermächtnis und Schillings Empfehlung gehalten, stets diskret, aber unnachgiebig unterstützt und gefördert von Gräfin Dorothea.
»Eigentlich könntest du dich selbst mittlerweile ›von‹ schreiben bei all der Protektion, die du schon jahrelang bei den Prewitzens genießt«, hatte ihr Vater anlässlich einer ihrer seltenen Besuche bei ihm in Potsdam gebrummelt. Es war eine Mischung aus Stolz und Ärger, die in seiner Stimme mitschwang. Er war stolz auf seine wunderschöne Tochter, aber ärgerte sich auch, dass er sich seiner bescheidenen Behausung ihr gegenüber schämte. Eigentlich passte sie in ihrer vornehmen Aufmachung überhaupt nicht mehr hierher.
So empfand es zumindest Prohaska. Eleonora hingegen fühlte sich auch nach all den Jahren im Haushalt der Familie von Prewitz zu Kirchhagen immer noch nicht fremd bei ihrem Vater und in ihrem ehemaligen Zuhause in Potsdam. Es entsprach nicht ihrer Art, ihre eigentliche Herkunft zu vergessen oder sie gar zu verleugnen. Andererseits wurde sie sich ihrer Berufung als Künstlerin immer bewusster und arbeitete konsequent an ihrer Weiterentwicklung.
So eindringlich und herzerweichend hatte Eleonora gesungen, dass die Hochzeitsgäste noch Tage danach bewundernd von diesem Auftritt sprachen. Einzig und allein der an der Orgel sie begleitende Balduin Schilling wusste, woher das besondere Gefühl des Ausdrucks rührte. So war er auch unfreiwillig Zeuge von Eleonoras emotionaler Verstörung nach ihrem Vortrag geworden. Selbst gerade frisch vermählt, war er für gefühlsmäßige Aufwallungen sehr empfänglich. Der Psalm der Ruth ließ kaum einen Menschen kalt. Schilling war es jedoch noch oben auf der Kirchenempore gelungen, die kurz vor einem Nervenzusammenbruch stehende Eleonora aufzufangen und zu beruhigen. Nicht zuletzt sein dringender Appell an die Verantwortung gegenüber ihrer außergewöhnlichen künstlerischen Begabung hatte das verstörte junge Mädchen wieder zu sich gebracht. So fanden nach der Hochzeit der jungen Komtesse von Prewitz zu Kirchhagen Schülerin und Lehrer künstlerisch zueinander, denn dieses Erlebnis hatte ein unsichtbares Band zwischen ihnen geknüpft.
Und genau auf Balduin Schilling wartete Eleonora an diesem dunklen Winternachmittag des Jahres 1805 im »neuen Musiksalon« des Prewitzschen Stadtpalais mitten in Berlin. Es war eine Ausnahme, dass Schilling sie zu Hause aufsuchte, aber Gräfin Dorothea hatte ihn darum gebeten, Eleonora diese Woche in den Privaträumen zu unterrichten, da diese leicht indisponiert war.
»Nicht krank genug, um zu pausieren, aber zu krank, um den Weg durch Schnee und Kälte bis zur Oper zu wagen. Ich werde Schilling bitten, dich diese Woche im neuen Musiksalon zu unterrichten. Anschließend darf er mir beim five o’clock tea Gesellschaft leisten, denn ich habe etwas mit ihm zu bereden«, hatte die Gräfin zu Beginn der Woche verlauten lassen, nachdem sie Zeugin von mehreren Niesattacken und dem unterdrückten Schniefen ihres Schützlings geworden war. Ein Bote wurde mit einer Nachricht in die Oper geschickt und kehrte mit einem Billett des Herrn Konzertmeisters zurück, in dem dieser höflich für die Einladung dankte und sich mit der Ausnahme einverstanden erklärte, »gleichwohl es mich
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