Flamme der Freiheit
mit all der Kraft meines Herzens zu Frau und Kind nach Hause zieht, wo diese noch im Wochenbett liegt«, lautete ein Postskriptum.
»Ist er nun endlich Vater geworden, dann wollen wir ihm auch eine kleine Freude bereiten und für die Kräftigung der jungen Mutter sorgen«, meinte die Gräfin lächelnd. Eleonora lächelte gleichfalls, wusste sie doch, was das bedeutete. Zum einen würde die Gräfin den Bestand ihres wertvollen Silber- und Porzellankabinetts in Augenschein nehmen und bestimmt ein passendes Geschenk für die jungen Eltern finden. Zum anderen würde in spätestens einer Stunde einer der Prewitzschen Domestiken, mit einem schweren Kochtopf beladen, sich Richtung Jägerstraße schleppen, wo Schilling mit seiner jungen Frau in einer bescheidenen Dreizimmerwohnung lebte, um die kulinarische Morgengabe für die junge Mutter vor Ort zu übergeben. Die kräftigende, gar heilende Wirkung von Babettes Geflügelbouillon genoss in Berlin einen legendären Ruf. Eleonora selbst hatte heute zum zweiten Frühstück auf gemeinsame Anordnung von Gräfin und Köchin eine Tasse zu sich nehmen müssen und wusste daher, dass bereits seit gestern Abend wieder ein riesiges Suppenhuhn in den Topf gewandert war.
Zweimal pro Woche erreichte eine Lieferung von Geflügel, Fleisch und Wild vom Sophienhof mit pünktlicher Zuverlässigkeit das Stadtpalais in Berlin und wurde von Babette verarbeitet. Obwohl Gräfin Dorothea die junge Frau Schilling noch niemals in ihrem Leben gesehen hatte, gehörte es für sie einfach zum guten Ton, der Gattin von Eleonoras Musiklehrer auf diese Weise ihre Reverenz zu erweisen und zur Geburt des ersten Kindes zu gratulieren.
Es stand auch schon eine winzige Figur aus der Porzellansammlung der Prewitzens auf dem kleinen Teetisch bereit.
Gräfin Dorothea zog an der seidenen Klingelschnur. Drei Minuten später knickste Paula vor ihr. Die Gräfin wies auf das winzige porzellanene Schäferpaar.
»Nimm es mit zu Madame Hortense, damit sie es als schönes Präsent einpackt«, befahl sie der Zofe. »Du wirst derweil im Wintergarten schauen, ob die Kamelien schon so weit sind, dass der Gärtner einen kleinen Blumengruß binden kann.«
Paula nahm vorsichtig die Figurine aus der Königlich Preußischen Manufaktur in die Hand, knickste erneut und entschwand.
Pünktlich zum five o’clock tea würde ein geschmackvoll mit vielen Bändern verschnürtes und edlem Seidenpapier umhülltes Geschenkpäckchen auf dem Teetisch ihres Salons liegen, das die Gräfin beim Abschied dem Musikus mit huldvollen Worten zu überreichen gedachte.
Wo nur Balduin Schilling blieb? Unpünktlichkeit war so gar nicht seine Art. Eleonora blätterte in dem sich auf dem Flügel türmenden Notenstapel. Irgendwie war sie heute auch nicht so richtig bei der Sache. Seit Tagen schwirrten die wildesten Gerüchte durch Stadt und Land und beunruhigten die Menschen.
Wo war Napoleon? Noch in Ulm oder bereits in Wien? Der französische Kaiser schien immer noch unbesiegbar, marschierte kreuz und quer durch Europa, tauchte unerwartet auf den verschiedenen Schlachtfeldern auf, verstand es mit seinem Charisma seine Soldaten immer wieder von neuem zu motivieren, war stets in vorderster Linie zu sehen und kümmerte sich im Notfall selbst um die Verarztung eines Verwundeten.
Das Bündnis von England, Österreich und Russland hatte zum dritten Koalitionskrieg geführt, der mittlerweile den ganzen Kontinent überzog. Dem politischen Überlebenskünstler Talleyrand war es gelungen, Preußen zu zwingen, Neutralität zu bewahren. Eine Haltung, die dem zögerlichen Charakter Friedrich Wilhelms nur entgegenkam, während seinen Vetter Louis Ferdinand der massive Druck aus Paris mit flammender Wut und Empörung erfüllte. Damit stand er nicht alleine. Selbst Königin Luise sollte die Fügsamkeit, mit der sich ihr königlicher Gemahl dem napoleonischen Diktat beugte, mit Unbehagen erfüllen. Diplomatisch und bislang dezent hatte sie auch bereits ihre Kritik geäußert. Natürlich ausschließlich im innersten höfischen Kreise und mit der einer preußischen Königin geziemenden Contenance. Kunde davon war auch bis in den Prewitzschen Haushalt gedrungen, was wiederum der uralten Freundschaft zwischen der Gräfin von Prewitz und der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss zu verdanken war. Ihrer jungen Königin in absoluter Loyalität ergeben, hegte sie eine tiefe Abneigung gegen Napoleon, die wiederum ihre alte Freundin von Prewitz mit ihr teilte. In ganz
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