Flamme von Jamaika
durchlief ihn eine gut sichtbare Gänsehaut, und sein bis dahin unauffälliges Glied richtete sich zwischen seinen strammen Schenkeln kaum merklich auf. Lena senkte verlegen den Blick, weil sie sich nicht eingestehen wollte, was sie mit ihrer harmlosen Berührung angerichtet hatte.
«Na, jedenfalls hatten sie in der Garnison von Santiago nichts anderes zu tun, als uns möglichst rasch in skrupellose Legionäre zu verwandeln», überging er die Reaktion seines Körpers und suchte ihren Blick, als ob nichts geschehen wäre. «Was zur Folge hatte, dass meine Kameraden und ich konsequent auf das Töten eines Menschen abgerichtet wurden und dazu den Umgang mit allen erdenklichen Waffen erlernten.» Er lachte leise. «Mich wundert noch heute, dass unsere spanischen Ausbilder gar keine Angst hatten, wir könnten uns irgendwann in jene Rebellen verwandeln, vor denen sie sich so sehr fürchteten.»
«Das hört sich beinah an, als hätte es dir Freude bereitet, so unmenschliche Dinge zu erlernen?»
Jess bemerkte ihren kritischen Blick. Er war auf dem besten Wege, ihr schon wieder Angst einzujagen, indem er ein ziemlich barbarisches Bild von sich zeichnete.
«Natürlich nicht», erwiderte er ohne einen Funken Zweifel in der Pupille. «Aber was blieb uns anderes übrig? Wenn wir nicht spurten, wurden wir ausgepeitscht. Wie du sehen kannst, ist mir das häufiger passiert.»
«Willst du damit sagen, dass dein Master dich aus reinem Patriotismus in irgendeinen Krieg schicken wollte, und du konntest gar nichts dagegen tun?»
«Ich sagte doch», erinnerte er sie, «als Sklave bist du jeglicher Form von Willkür ausgesetzt. Ob es dir nun passt oder nicht. Wobei Montalbans Verhalten weniger mit Patriotismus zu tun hatte, sondern vielmehr mit der Sorge, dass er seine Plantage an irgendwelche Freiheitskämpfer verlieren könnte. Haiti wird seit Jahren nur noch von Mulatten regiert. Den dortigen Rebellen ist es gelungen, sich gegen Frankreich durchzusetzen, und die Sklaverei wurde in hartnäckigen Verhandlungen mit der ehemaligen Kolonialmacht abgeschafft. Nicht wenige von uns hofften, dass uns in Kuba das Gleiche gelingen könnte. Und hier in Jamaika ist es nicht anders. Bis dahin versuchen immer wieder entflohene Sklaven nach Haiti zu entkommen, was selten gelingt, denn unsere Häfen werden streng überwacht, und der Seeweg auf kleinen, illegal gemieteten Boten ist teuer und ziemlich gefährlich.»
«Du hast viel durchgemacht», sagte Lena und wagte es kaum, ihn anzuschauen. «Ich wünschte, ich hätte die Macht, dir all dieses Leid im Nachhinein zu nehmen.»
«Vielleicht kannst du es sogar», erwiderte er und begegnete ihrem mitleidigen Blick mit einem undurchsichtigen Lächeln. «Dein Verhalten zeigt mir, dass es auch gute weiße Menschen gibt. Und so schlimm war es auch wieder nicht. Montalban war ein gnädiger Master und ein gläubiger Katholik», fuhr er bedächtig fort. «Er war Spanier und besaß auf Kuba eine riesige Tabak-Plantage. Er machte mich von Beginn an zu seinem persönlichen Burschen. Als ich jünger war, hat er mich oft an die benachbarten Jesuiten ausgeliehen und komplettierte damit gerne die Sonntagskollekte. Von den frommen Brüdern habe ich Lesen und Schreiben gelernt. Unter ihnen lebten auch ein paar Engländer, die in mir die englische Sprache lebendig gehalten haben, was mein Glück war, sonst könnte ich mich kaum mit jemandem auf dieser Insel verständigen.»
«Und von ihnen hast du auch Homer gelernt?»
«Na ja, was heißt gelernt.» Er lächelte schwach und suchte ihren Blick. «Neben der allgegenwärtigen Bibel sind mein Lehrmeister und ich ab und zu ein paar alte Bücher durchgegangen. Ein wenig Shakespeare war auch dabei und was man sonst noch so an Poesie verinnerlichen kann.»
«Shakespeare?» Sie lächelte verzückt. «Bis heute ist es mir nicht gelungen, Shakespeare zu lesen. Ich habe den Sommernachtstraum in London im Theater gesehen.»
«
Dann soll der Mond, gleich einem Silberbogen, am Himmel neu gespannt, die Nacht beschaun
», zitierte er mit einem Lächeln und deutete auf die leuchtende Scheibe am Firmament, die so hell war, dass die Nacht beinahe zum Tage wurde.
Lena sah ihn mit ihren großen, ängstlichen Augen an, die im Mondschein wie reine Smaragde schimmerten.
«Aber auch Montalban hatte keine Scheu davor, Karten zu spielen und ein Kind als Gewinn zu akzeptieren», fügte sie leise hinzu.
Es rührte ihn, wie sehr sie an seinem früheren Schicksal Anteil nahm. Am liebsten
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