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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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lallte.
    «Mr. Hanson!», rief Lena bemüht unerschrocken, um das Stimmengewirr im Schankraum zu übertönen. «Wir wären so weit.»
    Die Gespräche der Männer verstummten, und alle blickten sich zu ihr um.
    «Darf ich vorstellen», nuschelte Hanson mit einem hämischen Grinsen, «das ist die neue Herrin von Redfield Hall.»
    Die Männer zogen ihre Hüte und gaben ein anerkennendes Pfeifkonzert von sich. Lena fühlte sich unangenehm berührt und verspürte mit einem Mal eine unbestimmte Angst vor all diesen gierigen Blicken.
    «Wir warten auf Sie», sagte sie so streng wie möglich in Hansons Richtung.
    Dann ging sie rasch nach draußen, wo es nicht weniger heiß war, und atmete auf. Hier war die Luft wenigstens nicht so stickig und alkoholgeschwängert, auch wenn sich das Problem damit noch lange nicht erledigt hatte. Genau genommen fing es gerade erst an.
    Sie war stinkwütend. Wie konnte Edward ihr Schicksal nur in die Hände dieses betrunkenen Scheusals legen? Der Mann wäre doch gar nicht mehr fähig, sie vor Wegelagerern oder rebellierenden Sklaven zu schützen! Ihr war zwar nicht entgangen, dass Hanson eine Pistole trug und auf dem Kutschbock des Vierspänners zwei Gewehre parat lagen, aber sie traute dem Kerl nicht. Was wäre, wenn er aus reinem Übermut um sich zu schießen begann?
    Wenig später holperte sie in einem zwar durchaus luxuriösen Gefährt, aber umgeben von mehr als fragwürdigen Gestalten durch eine exotische Wildnis, deren atemberaubende Schönheit Lena keinesfalls sorglos genießen konnte. Der Weg in ihr neues Zuhause führte vorbei an schneeweißen Stränden und Buchten mit kristallblauem Wasser. Die Küste war gesäumt von blühenden Büschen. Deren feuerrote, orangefarbene und rosarote Blütenkelche hatte sie bisher allenfalls auf Gemälden oder im Botanischen Garten in Hamburg gesehen. Um die Blüten herum schwirrten kleine, bunte Vögel, die mit ihren langen Schnäbeln in das Innere der Blumenkelche eintauchten.
    Unterwegs überholten sie immer wieder Gespanne, die von nachtschwarzen Menschen geführt wurden. Auf den Ladeflächen stapelten sich exotische Früchte. Das Obst erinnerte Lena an den Präsentkorb, den Edward ihr in London gesandt hatte. Damals hatte sie beileibe nicht ahnen können, in der von ihr so herbeigesehnten Fremde auf einen derart unangenehmen Zeitgenossen wie Trevor Hanson zu stoßen. Trotz seines angetrunkenen Zustandes ließ dieser es sich nicht nehmen, die Kutsche persönlich zu lenken. Dabei sang er in völlig falschen Tönen irgendwelche irischen Trinklieder.
    Lena saß schwitzend im Innern und beobachtete mit Sorge den Gesundheitszustand von Maggie. Zusammengekrümmt lag ihre Freundin auf der zweiten Sitzbank und verschlief die Einkehr ins vermeintliche Paradies. Ein wenig war Lena sogar erleichtert, dass ihre Gesellschafterin nicht munter genug war, um ihre Ängste und Zweifel zu bemerken. Nicht auszudenken, wenn Maggie aus dem Auftritt von Mr. Hanson die gleichen Rückschlüsse gezogen hätte wie sie selbst! So blieb nur zu hoffen, dass ihre Ankunft in Redfield Hall sie von diesem Albtraum erlöste und Edward sie mit der gleichen Zuneigung und Fürsorge empfing, mit der er sie in London zurückgelassen hatte. Das von ihm beschriebene prunkvolle Anwesen würde sein Übriges tun, um nicht nur Maggie, sondern auch ihr eigenes Gemüt vollends zu besänftigen. Sicher war ein lebenswichtiges Erfordernis dafür verantwortlich, dass Edward nicht selbst zum Hafen gekommen war. Eines, das weit über die verworrene Erklärung des Aufsehers hinausging. Sobald Maggie sich besser fühlte, würden sie gemeinsam über ihre katastrophale Anreise lachen können.

Kapitel 4
    August 1831 // Jamaika // Redfield Hall

    E s war mitten in der Nacht, als Lena nach mehr als acht Stunden Fahrt und einem Pferdewechsel in St. Ann ihr neues Zuhause erreichte. Im fahlen Mondlicht war bereits von weitem das strahlende Weiß des mehrstöckigen Herrenhauses zu erkennen. Über einen breiten, mit Kies ausgestreuten Weg ging es entlang haushoher Palmen zu einer geschwungenen Auffahrt. Der Prachtbau stand in krassem Kontrast zu den ärmlichen Hütten, die Lena auf dem Weg gesehen hatte, und den schlichten Lagerhäusern und Stallungen ringsumher.
    Das Herz von Redfield Hall lag auf einer Anhöhe und wurde von zahlreichen Feuerkörben und Fackeln erleuchtet. Als die Kutsche sich näherte, entpuppte sich das Gebäude als beeindruckender Marmorpalast mit griechischen Säulen entlang der

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