Flamme von Jamaika
hatte, tat ihr Übriges, um Edwards Misstrauen zu schüren. Aber war sie tatsächlich freiwillig mit ihm mitgegangen? Oder war sie ihm unter dem Einfluss ihrer merkwürdigen Krankheit zwanghaft gefolgt? Er war sich nicht sicher, wie er Lenas Gesundheitszustand einzuschätzen hatte. Spielte sie nur? Oder war sie immer noch partiell gelähmt? Auch war Edward aufgefallen, dass der Kerl für einen Mann seines Schlages recht groß und muskulös war. Dem Aussehen nach konnte er durchaus zu den Rebellen gehören, denen man nachsagte, dass sie über militärische Erfahrung verfügten. Doch das würde Bolton für ihn rausfinden.
«Edward?»
Er erschrak, als plötzlich sein Vater vor ihm stand. Er war soeben von einer Dringlichkeitssitzung zum Schutz der umliegenden Plantagen zurückgekehrt.
«Ich hab von Jeremia gehört, was vorgefallen ist. Wie geht es Lena?»
Sein Vater schien tatsächlich besorgt. Vielleicht lag es daran, dass sie Edwards Mutter ähnlich sah. Die schlanke Gestalt, die helle Haut, das blonde Haar, die grünen, strahlenden Augen, all das musste in seinem Vater viele Erinnerungen wecken. Wer wollte es ihm verdenken? Schließlich hatte der Alte kein Glück mit seinen Frauen gehabt. Sie waren ihm alle gestorben, und irgendwann hatte er es aufgegeben, sich eine neue weiße Lady zu suchen, und seine Gier nach hingebungsvollem Fleisch nur noch an jungen Sklavinnen befriedigt.
«Ich bin mir nicht sicher, wer oder was genau hinter dieser neuerlichen Entführung steckt. Und ich wage gar nicht daran zu denken, welchen Einfluss dies auf Lenas Gesundheit hat», gestand Edward und berichtete seinem Vater zunächst von dem gestrigen Brand auf der Plantage, der mehrere Hektar Land verwüstet hatte.
Mit Hunderten von Sklaven war es ihnen zum Abend gelungen, die Feuersbrunst einzudämmen und schließlich zu löschen, bevor sie auf die Lagerhallen und das Haupthaus übergreifen konnte.
«Als ich zurückkam, war Lena verschwunden.»
Hastig erzählte er von der anschließenden Suche und dass er selbst auf die Idee gekommen war, Bolton und seine Männer nach Port Maria zu schicken.
«Wie kommst du denn ausgerechnet auf Port Maria?», wollte sein Vater von ihm wissen, der nichts davon wusste, dass Lena ihn zuvor hatte verlassen wollen.
Edward überspielte den Moment der Verlegenheit mit einem souveränen Lächeln.
«Tom hat mich auf die Idee gebracht, weil der Priester, der das Pferd aus unserem Stall gestohlen hat, zwei Tage zuvor in Ochos Rios gegen die Sklaverei gehetzt hat. Deshalb dachten wir, es könnte gut sein, dass er sich nunmehr die Gläubigen in Port Maria vornimmt.»
Edward verzichtete darauf, seinem Vater zu erzählen, dass er Lena und den vermeintlichen Priester nicht in einer Kirche, sondern in einem Freudenhaus aufgespürt hatte. Er sprach lediglich von einer Absteige am Hafen.
«Höchst merkwürdig, das alles», bestätigte William. «Denkst du, die Entführung hat mit der Brandstiftung zu tun?»
«Gut möglich», resümierte Edward. «Immerhin hat der Brand uns davon abgehalten, das Haupthaus im Auge zu behalten. Und wir wissen inzwischen, dass es vornehmlich die Baptisten sind, die Front gegen die Sklaverei machen.»
«Und Lena, wie hat sie diese neuerliche Katastrophe verkraftet?»
«Das kann ich nicht einschätzen», antwortete Edward gespielt besorgt. «Wir wissen ja noch nicht einmal, was ihr seltsames Verhalten nach der ersten Entführung ausgelöst hat, geschweige denn, was die Entführer mit ihr angestellt haben. Sie machte mir jedenfalls keinen sonderlich geschockten Eindruck, als Boltons Leute sie aus den Fängen dieses Monsters befreit haben. Aber ich denke, wir sollten Dr. Lafayette trotzdem informieren, damit er sie gründlich untersucht.»
Lord William nickte zustimmend und rief Jeremia zu sich, der nicht weit entfernt mit Staubwischen beschäftigt war. Ihn beauftragte er, unverzüglich einen Boten zu seinem Leibarzt zu entsenden, der sich im Augenblick praktischerweise in der Krankenstation von Redfield Hall aufhielt.
«Was hat sich in der Zwischenzeit im Parlament getan?», fragte Edward. «Wissen wir schon mehr zu den Bränden?»
«Nein, aber Colonel Brown hat sich aus der Versenkung zurückgemeldet», berichtete Lord William. «Seitdem sein halbes Regiment in den Blue Mountains verlorengegangen ist, hat man ihn nun mit der Zusammenstellung von freiwilligen Heimat-Milizen beauftragt. Sie sollen die Armee überall im Lande dabei unterstützen, die Unruhen niederzuschlagen und
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