Flamme von Jamaika
helfen, damit du hier herauskommst, aber wir haben nicht allzu viel Zeit, um mit dir zu sprechen. Du musst uns sagen, was mit dir geschehen ist und wer die Schuld daran trägt!»
«Hm …», kam es wie ein leises Brummen über seine Lippen.
«Jess!» Noch einmal tippte Baba ihn an. «Ich bin es, deine Mutter.»
Kaum merklich öffnete er seine verquollenen Lider einen Spalt und schaute sie an, als ob sie aus einer anderen Welt käme.
«Ich muss tot sein», raunte er mit verwaschener Stimme.
«Du bist nicht tot», erwiderte Lena tränenerstickt. «Du lebst, und wir werden dich schon bald hier herausholen.»
«Ich muss im Himmel sein», lallte er mit einem angedeuteten Lächeln. «Wie sonst ist es möglich, dass meine Geliebte und meine Mutter im Sonntagsstaat vor mir stehen und gemeinsame Sache machen?»
«Jess, das ist kein Spaß», versuchte Lena zu ihm durchzudringen. «Ich werde im Anschluss an diesen Besuch unverzüglich zum Gouverneur gehen und verlangen, dass er dich auf der Stelle aus der Haft entlässt.»
«Wie seid ihr hier reingekommen?», murmelte er undeutlich, wobei er sie nun mit seinem verhangenen Blick fixierte und dabei leicht die Stirn runzelte. «Es hieß doch, Besuche seien verboten.»
«Das spielt doch jetzt keine Rolle», widersprach ihm Lena energisch. «Sag mir lieber, wer dir das angetan hat. Ich werde mich aufs schärfste beschweren.» Und im gleichen Atemzug fügte sie noch hinzu: «Versprich mir nicht zu sterben, bis wir deine Freilassung durchgesetzt haben.»
«Ich geb mir alle Mühe», nuschelte er und ignorierte ansonsten ihr Anliegen.
Lenas Blick fiel auf Baba, die sich wie selbstverständlich darangemacht hatte, Jess’ gewaschene Wunden mit dicht gewebten Baumwollkompressen zu belegen. Als Nächstes hantierte sie mit einer dicken Rolle Leinenstreifen, die sie ihm um den Leib zurren wollte, um das Ganze ordentlich zu fixieren.
«Hilf mir mal, ihn anzuheben», forderte sie Lena auf, damit sie ihn fertig verbinden konnte.
«Was macht ihr mit mir?»
Jess stieß ein ungeduldiges Knurren aus, als Lena an seinen muskulösen Oberarmen zu zerren begann. Auch wenn es ihm sichtlich schwerfiel, stemmte er sich ihnen zuliebe mit kaum vorhandener Kraft auf die Ellbogen, damit sie ihr Werk vollenden konnten.
«Anstatt mit mir Lazarett zu spielen», erklärte er heiser, «solltet ihr lieber schnellstens von hier verschwinden. Sieh zu», riet er nun an Lena gewandt, «dass du Baba unverzüglich zurück in die Berge schickst, bevor jemand auftaucht, der sie erkennt. Nur dort ist sie in Sicherheit.»
«Willst du was trinken, Junge, oder was essen?», unterbrach Baba ihren Sohn.
Ihre Hand lag zärtlich auf seiner Wange, doch Jess’ Augenlider flackerten mit einem Mal, und dann hatte er schon wieder das Bewusstsein verloren.
«Er wird sterben, wenn sich niemand um ihn kümmert und ihn zumindest mit dem Nötigsten versorgt. Wir dürfen keine Zeit verlieren», klagte Lena verzweifelt.
«Ich frage mich, warum er so apathisch ist.»
Baba beugte sich noch einmal zu Jess hinunter und betrachtete sein regloses Gesicht, als ob sie etwas darin suchen würde. Dann umrundete sie sein Lager und unterzog seinen gesamten Körper einer näheren Begutachtung.
«Die Peitschenhiebe alleine können ihn unmöglich so sehr geschwächt haben», sinnierte sie und sah nachdenklich auf ihn herab, wobei sie mit der Hand liebevoll über seinen kurz geschorenen Schopf streichelte. «Vielleicht haben sie ihn einer weißen Folter unterzogen.»
«Weiße Folter?», fragte Lena mit erstickter Stimme. «Was ist denn das, um Himmels willen?»
«Das sind grausame Methoden, die einen vollkommen mürbe machen, aber keine Spuren hinterlassen. Wasser zum Beispiel, das einem gefesselten Mann über Stunden und Tage auf die Stirn tropft. Oder Kaltwassergüsse, mehrmals am Tag, bei denen das Opfer in einem engen Käfig sitzt und glaubt, ertrinken zu müssen. Irgend so etwas haben sie mit ihm angestellt, da bin ich mir sicher.»
«Was hat das zu bedeuten?», fragte Lena ängstlich. «Denkst du, sie wollten ihn töten, und es ist ihnen nicht gelungen?»
«Wenn sie das gewollt hätten, wäre er längst tot. Es bedeutet nur, dass das Leiden noch nicht zu Ende ist», murmelte Baba. «Ich kann es spüren. Sie haben noch etwas weitaus Schlimmeres mit ihm vor.»
«Ich gehe auf der Stelle zum Gouverneur», beschloss Lena mit grimmiger Miene. «Ich versuche den Soldaten draußen vor der Tür zu bestechen, damit er uns etwas mehr
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