Flamme von Jamaika
als ob ich schwanger wäre, aber das kann ja nicht schaden, wenn wir ohne männliche Begleitung unterwegs sind.»
«Wir müssen Edward davon überzeugen, dass wir Lady Elisabeth zu Pferd folgen und nicht bei ihr in der Kutsche sitzen wollen», erklärte Lena kühn. «Dann können wir Reitkleidung anziehen und sind auf der Flucht weitaus beweglicher als zu Fuß oder mit einer Kutsche.»
Wie erwartet hatte Edward keinerlei Einwände, als sie ihn darüber in Kenntnis setzten, dass sie die kurze Reise nach Rosenhall zu Pferd antreten wollten. Allerdings wollte er wie üblich nicht darauf verzichten, ihnen Tom Doe zu ihrem persönlichen Schutz zur Seite zu stellen. Das machte die Angelegenheit nicht eben einfacher, aber Lena war entschlossen, einen Weg zu finden, wie sie den jungen Neger später auf Rosenhall ablenken konnten.
Bei ihrer Ankunft in Rosenhall, einer der größten Plantagen des Landes, wirkte Lady Elisabeth immer noch wie benebelt. Kein Wunder, hatte sie doch während der dreistündigen Kutschfahrt eine weitere Dosis Laudanum zu sich genommen.
Der Kutscher, der die Pferde ohnehin nicht allzu sehr angetrieben hatte, verlangsamte nochmals sein Tempo, als sie das prunkvolle Einfahrtstor erreichten. An dem darüber angebrachten, weiß getünchten Querbalken hing ein Schild, das in goldenen Lettern den glorreichen Namen des Anwesens verkündete.
Lena und Maggie zügelten ihre eleganten Fuchsstuten, weil sie der Kutsche mit Lady Elisabeth und ihrem Diener den Vortritt lassen wollten. Tom, der einen Muli ritt und die ganze Zeit hinter ihnen geblieben war, schloss zu ihnen auf, hielt den Blick jedoch gesenkt.
Vor ihnen lag ein weitläufiger Park, durch den eine lang gezogene Auffahrt führte. An deren Rändern waren getrimmte Zierbäumchen zu bewundern, deren Blattwerk man abwechselnd zu Kugeln und Kegeln geschnitten hatte. Dazwischen blühten überall prächtige Rosenbüsche.
Der Nachmittag neigte sich bereits dem Abend zu, und das vierstöckige, schneeweiße Herrenhaus, das die Plantage in aller Pracht repräsentierte, warf lange Schatten bis weit hinaus über den Hof. Das Gebäude erschien Lena noch größer und eindrucksvoller als das Haupthaus von Redfield Hall. Ein wahres Schloss, im klassizistischen Stil mit fünf griechischen Säulen vor dem Haupteingang, die wie in Redfield Hall den Überbau für die Kutscheinfahrt stützten. An einer Ecke des Hauses überragte ein Turm mit einer pagodenähnlichen Spitze das Dach und bot einen prächtigen Blick über die herrschaftlichen Güter. Dazu gehörten eine Golfanlage, ebenso ein privates Cricketfeld und ein Tennisplatz, bei dem sich Lena fragte, wer wohl darauf spielte, wo doch nach Angabe von Lady Elisabeth kaum noch Männer im Haushalt vorhanden waren.
Die eigentliche Farm mit den lang gezogenen Lagerscheunen, den Viehställen und den Sklavenunterkünften war in Reichweite errichtet worden, jedoch weit genug entfernt, um die weißen Herrschaften nicht unnötig zu stören.
Lena und Maggie übergaben ihre Pferde einem schwarzhäutigen Stallmeister, wobei Lena aufmerksam verfolgte, wohin er die Tiere brachte. Später, in der Nacht, würden sie darauf angewiesen sein, die beiden Stuten ohne großen Aufwand und so lautlos wie möglich zu satteln.
Candy Jones hatte unterdessen alle Hände voll damit zu tun, die nicht gerade leichtgewichtige Elisabeth im halb wachen Zustand in ihr Schlafzimmer zu bugsieren. Vor dem Abendessen sei nicht mehr mit ihrem Erscheinen zu rechnen, verkündete er mit einem bedauernden Lächeln. Polette, eine überaus hübsche, milchkaffeebraune Dienstmagd, geleitete Lena und Maggie in die Gästezimmer.
«Rosenhall ist ein Labyrinth», flüsterte Maggie, als sie, gefolgt von Lena, einen der beiden Räume betrat, die durch eine Flügeltür miteinander verbunden waren. «Hast du die vielen Treppen, Gänge und Zimmerschluchten gesehen? In manchen könnte man glatt Tennis spielen.»
«Was kein Nachteil sein muss», raunte Lena, «denn das Personal kann nicht überall sein, und wir stehen deshalb nicht ständig unter Beobachtung.»
Lena war erleichtert, dass Tom Doe der Zutritt ins Haupthaus verwehrt worden war. Er würde somit gezwungen sein, Quartier in den Sklavenunterkünften zu beziehen, und konnte sie unmöglich weiter verfolgen.
«Ja, Vorteil für uns», murmelte Maggie, «um beim Tennis zu bleiben.»
Als Jess zum Lager zurückkehrte, wartete Nathan bereits auf ihn, um ihn zur Versammlungshöhle der obersten Krieger zu
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