Flamme von Jamaika
das Beste war, nicht zu widersprechen.
«Niemand in diesem Lager – mit Ausnahme von Baba und mir – darf erfahren, dass du diesem Gefängnis entkommen bist und unsere Gesichter gesehen hast. Falls doch, werde ich dich tatsächlich töten müssen.»
Wieder nickte sie und konzentrierte sich ungewollt auf seinen schönen, breiten Mund und die schneeweißen Zähne. Wie es wohl wäre, von einem solchen Mann geküsst zu werden? Ob er genauso empfand wie ein Weißer? Edward hatte behauptet, dass die Schwarzen zu keinerlei wirklichen Gefühlen fähig wären. Selbst um ihre toten Bälger würden sie nicht trauern. Das galt selbstverständlich auch für Mulatten, die das Blut der Afrikaner in sich trugen.
Am meisten interessierte Lena aber, ob sich Männer und Frauen seines Schlages tatsächlich wie Hunde und Katzen paarten. Edward hatte versichert, die Sklaven täten es aus reinem Trieb und ohne jegliches Gefühl. Wobei Lena inzwischen glaubte, dass Edward wohl eher von sich selbst gesprochen hatte. Auch wenn sie es nicht glauben wollte, so war ihr eigener Ehemann im Grunde keinen Deut besser. Das hatte sie selbst mit ansehen müssen.
«Hast du mich verstanden, Prinzessin? Ich hab den Eindruck, du hörst mir nicht zu», fuhr die dunkle Stimme Lena an und riss sie damit aus ihren höchst unanständigen Überlegungen.
«Ja … doch … doch», stotterte sie und ärgerte sich sogleich, dass seine physische Gegenwart sie derart verwirrte.
«Dann wiederhole, was ich gesagt habe!»
«Äh … das kann ich nicht», gestand sie kleinlaut.
«Zur Hölle!», schimpfte er. «Du bist nicht nur unglaublich schön, du bist auch unglaublich dumm dazu. Genauso, wie man es von einer affektierten weißen Lady erwartet.»
«Moment mal …!» Lena wollte laut protestieren, doch er hob bereits die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen.
«Ich habe gesagt», begann er leicht entnervt, «dass du nur lebend zu deinem Ehemann zurückkehren wirst, wenn der Gouverneur einen Gefangenenaustausch vornimmt. Falls die Regierung sich weigert, wirst du sterben.»
Lena holte tief Luft. Es ging also wirklich nicht um Geld, und ihr schwante, dass das ihre Lage nicht eben verbesserte.
«Abgesehen davon, dass mein Leben nach Meinung dieser griesgrämigen Alten ohnehin verwirkt ist», begann sie gefasst, «möchte ich gerne in der Sache verhandeln. Nicht, weil ich um mein Leben fürchte, sondern weil mir vor meiner Zukunft graust.» Sie holte noch einmal tief Luft und blickte ihm direkt in seine faszinierenden Augen. «Natürlich will ich nicht sterben, aber noch viel weniger will ich zu meinem Ehemann zurück! Mein Leben auf Redfield Hall –»
«Was soll der Quatsch?», fiel er ihr verärgert ins Wort.
«Hören Sie», versuchte Lena es noch einmal in der Hoffnung, dass er sie endlich verstand.
Mittlerweile war es ihr egal, ihm die ganze Wahrheit unterbreiten zu müssen. Sie hatte ohnehin nichts mehr zu verlieren.
«Ich war mit meiner Gesellschafterin auf dem Weg nach Port Royal, als Sie uns überfallen haben. Wir befanden uns gemeinsam auf der Flucht. Wir waren auf direktem Weg nach Europa. Ich will dort meine Ehe annullieren lassen. Mein Mann und mein Schwiegervater wissen nichts davon. Wir wollten das nächste Schiff nach England nehmen, oder wenigstens eins, das uns nur weit genug von Redfield Hall und dieser verdammten Insel fortbringt. Und dann kommen Sie und Ihre Diebesbande und machen mir alles kaputt.»
«Wir sind keine Diebe», erwiderte er sichtbar verblüfft und deutete auf ihre Tasche, die in einer Ecke der Höhle lag und die sie in ihrer Aufregung noch gar nicht wahrgenommen hatte. «Ich habe mir lediglich erlaubt, ein bisschen in deinen Papieren zu stöbern und deinen Schmuck vorübergehend in Sicherheit zu bringen. Aber ich habe ihn inzwischen wieder in die Tasche gelegt.»
Spöttisch fügte er hinzu: «Für mein Verständnis bist du nicht lange genug verheiratet und zu reich, um wirklich unglücklich zu sein.»
Lena blickte irritiert auf den braunen Lederbeutel, den sie bereits schmerzlich vermisst hatte. Allein die Tasche hatte ein Vermögen gekostet, vom Inhalt ganz zu schweigen. Zögernd ging sie hin und nahm den Beutel an sich. Wobei sie darauf verzichtete, die letzte Äußerung ihres Peinigers zu kommentieren.
Was wissen Sie schon von meinem Leben, hätte sie am liebsten gesagt. Gleichzeitig wunderte sie sich, an einen Sklaven geraten zu sein, der offenbar lesen konnte. Beiläufig durchsuchte sie den Inhalt der Tasche.
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