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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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nieder und seufzte. «Aber was soll’s, vielleicht haben Sie sogar recht. Zumindest meinem Vater war es wichtig, dass ich in eine hervorragend situierte Familie einheirate. Aber mir ging’s eher um andere Dinge. Ich wollte vor allem einen gutaussehenden und romantischen Mann.»
    «Was natürlich weit weniger oberflächlich ist», neckte er sie und bedauerte zum ersten Mal seine nachlässige Aufmachung, zumal sie ihn abermals einer näheren Betrachtung unterzog.
    «Ach, wie soll ich Ihnen das erklären», erwiderte sie trostlos. «Ich hab ja selbst keine Ahnung, was in mich gefahren ist.»
    «Nach allem, was ich von Edward Blake weiß, ist er eine recht stattliche Erscheinung. Also, was ist schiefgelaufen, dass er in solche Ungnade gefallen ist?»
    Er war bemüht, seiner Frage so viel Ernsthaftigkeit zu verleihen wie irgend möglich. Er wollte verstehen, warum sie all ihren Mut zusammengenommen hatte, um ihrer frischen Ehe mit dem jungen Blake auf diese Weise ein jähes Ende zu setzen – ungeachtet aller Konsequenzen, denen sich auch eine junge, weiße Lady nicht entziehen konnte.
    «Ich weiß nicht, ob Sie das verstehen können», erwiderte sie und schaute ihn unsicher an. «Irgendwie tragen Sie sogar eine Mitschuld daran.»
    «Ich?», wiederholte er ungläubig. «Was um Himmels willen sollte ich mit deiner Entscheidung zu tun haben, das sichere Nest zu verlassen?»
    «Nein», verbesserte sie sich, «nicht Sie persönlich, sondern Ihre Komplizin, die am Tag meiner Hochzeit meinem Schwiegervater so wirkungsvoll diesen toten Hahn an den Kopf geworfen hat. Danach bin ich mit meiner Gesellschafterin hinausgegangen, um mich von dem Schock zu erholen und frische Luft zu schnappen. Als ich zufällig zum Weinkeller kam, wurde dort gerade eine junge Sklavin von einem Aufseher vergewaltigt. Ich habe sofort Alarm geschlagen, damit ihr jemand zu Hilfe eilt und der Täter seiner gerechten Strafe zugeführt wird. Doch unseren sämtlichen männlichen Gästen schien dieser Vorfall lediglich peinlich zu sein, sonst nichts. Edward ging sogar so weit zu behaupten, das Mädchen hätte den Aufseher verführt, und meinte, ich solle aus der Angelegenheit keine große Sache machen. Wir stritten uns daraufhin heftig. Als ich ihm später am Abend in den Garten folgte, um ihn noch mal zur Rede zu stellen, wurde ich Zeuge, wie …» Sie stockte, anscheinend nicht sicher, ob sie Jess einweihen sollte. Doch dann seufzte sie aufs Neue und brachte mit gepresster Stimme heraus: «… wie er eine seiner Sklavinnen bestieg.»
    Ihre Miene verfinsterte sich. Eine Mischung aus Abscheu und tiefer Enttäuschung spiegelte sich auf ihrem Gesicht, wobei sie mit den Tränen kämpfte. Jess war nicht sicher, ob sie ihm leidtun sollte. Ihm war nicht klar, ob sie aus reiner Nächstenliebe oder nur aus purer Eifersucht gehandelt hatte.
    «Und deshalb bist du ihm einfach davongelaufen, Prin–», er brach den Satz ab. Plötzlich fand Jess es nicht mehr passend, sie mit dieser Anrede zu demütigen. «Wegen einer Sklavin?»
    «Ja», entgegnete sie. «Was dagegen?»
    «Ein solches Verhalten ist doch normal.»
    Jess konnte kaum glauben, dass sie nichts von den üblichen Vorlieben weißer Plantagenbesitzer und deren Aufseher wusste. Offenkundig war sie nicht nur temperamentvoll, sondern auch weltfremd. Eine durchaus explosive Mischung, die wahrscheinlich immer hervorbrach, wenn etwas geschah, das nicht in ihr Weltbild passte.
    «Was, dass ich davongelaufen bin?»
    Ihr aufgebrachter Ton belustigte ihn. Sie schien ehrlich entsetzt.
    «Nein, dass dein Ehemann sich eine Sklavin als Geliebte hält! Es ist überhaupt nichts Ungewöhnliches daran, dass die weißen Herren sich schwarze Mätressen halten!»
    «Sind Sie noch ganz bei Trost?» Ihr Blick hatte plötzlich etwas Angriffslustiges. «Edward hat mich betrogen, und das am Tag unserer Hochzeit!»
    «Beinahe sämtliche Plantagenbesitzer haben was mit ihren Sklavinnen», fuhr er ungerührt fort. «Es wäre eher ein Wunder, wenn es bei Edward Blake nicht so wäre. Seit dem Handelsembargo von 1807 , das den Einkauf neuer Sklaven aus Afrika verbietet, gilt sogar die inoffizielle Aufforderung der Pflanzer an ihre Aufseher, selbst für die Vermehrung der hiesigen Sklaven zu sorgen. Man will dem Schwund männlicher Sklaven entgegenwirken, indem man die vorhandenen Sklavinnen selbst schwängert. Da es nicht mehr genug adäquate schwarze Männer gibt, weil diese entweder tot oder von der schweren Arbeit ausgelaugt sind, müssen

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