Flammen Der Nacht -4-
sie selbst Mutter war, blieb sie lieber in der Nähe des Hauses. Ihre Familie vermutete, dass sie die Verantwortung für ihren Sohn sehr ernst nahm, und das stimmte.
Zumal sie immer befürchten musste, dass Aleksandrs Vater sie finden könnte. Und die Konsequenzen wären entsetzlich – nicht auszudenken.
Soeben erwog sie ebendiese Konsequenzen.
Der Baum war hart gefroren, die rissige Rinde unter ihren bloßen Händen eisig kalt. Sie kletterte durch das dichte Geäst nach unten, über ihr, am dunklen Nachthimmel, glitzerten die Sterne. Sie sprang auf den Boden und atmete tief durch, zum ersten Mal, seitdem sie im Krankenhaus die Hiobsbotschaft erfahren hatte.
Irgendjemand hatte den Wilder-Jungen gegen sie ausgetauscht. Firebird Wilder, ein Kind, von dem niemand wusste, woher es kam.
Sie schlich sich um das Haus, das mit Raureif bedeckte Gras knirschte leise unter ihren Schritten. Sie öffnete geräuschlos das Vordertor und nahm den Weg zu den Weinbergen. Die Arme fröstelnd um ihren Körper geschlungen, blickte sie über das dunkel gähnende Tal tief in den Cascade Mountains.
Es erstreckte sich lang und schmal zwischen zwei Bergrücken, eine fruchtbare Ebene, die ihre Eltern für kleines Geld gekauft hatten, weil die früheren Besitzer Äpfel und Tulpen und Gemüse angebaut hatten und damit pleitegegangen waren. Der Boden war zwar fruchtbar, das Klima jedoch zu feucht und nicht sonnig genug für anspruchsvolle Pflanzen.
Ihre Nachbarn in dem kleinen Ort Blythe hatten die dummen russischen Immigranten belächelt.
Denen war das Lachen vergangen.
Konstantine hatte Weinreben gepflanzt. Zorana hatte einen Gemüsegarten und einen kleinen Blumengarten
angelegt. Und als hätten sie die Sonne mitgebracht, änderten sich die Wetterverhältnisse. Das Tal – und Blythe – schien mit einem Mal von einer durchschimmernden Glaskuppel geschützt, die den Sonnenschein und ausreichend Regen durchließ.
Zu der Zeit von Firebirds Geburt waren die Wilders bereits bestens etabliert in der Gesellschaft. Zeit ihres Lebens war dieses Tal Firebirds Heimat gewesen – und ein Refugium während ihrer Schwangerschaft.
Die frische Luft und die Frosttemperaturen machten einen klaren Kopf. Und sie begriff mit erschreckender Deutlichkeit, was sie die ganze Zeit verdrängt hatte.
Sie musste weg.
Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag ins Gesicht, allein bei der Vorstellung drehte sich ihr der Magen um. Sie blendete den Gedanken aus, hielt den Atem an und erstarrte. Sie hatte die Erinnerung zweieinhalb Jahre erfolgreich verdrängt, doch jetzt fuhr ihr unvermittelt Douglas Black durch den Kopf und wie sie diesen Mann kennen gelernt hatte.
Es war Frühling gewesen, und alle Studenten waren verliebt. Alle bis auf Firebird. Sie arbeitete wie üblich intensiv an ihrem Abschlussdiplom und hatte folglich keine Zeit für die Liebe.
Immer wenn der heiße neue Campus-Cop draußen vorbeilief, ertappte sie sich jedoch dabei, dass sie hinschaute. Ein Typ in Uniform hatte irgendwas an sich – oder zumindest dieser Typ in Uniform –, was sie magisch anzog. Er war groß und schlank, mit breiten Schultern und Waschbrettbauch, und er bewegte sich geschmeidig leise. Er hatte ein hartes, kantig geschnittenes Gesicht und war noch recht jung. Sein
goldblondes Haar kontrastierte mit seinem gebräunten Teint, aber Firebird fand seine Augen besonders faszinierend, Augen, die sie intensiv anschauten … tief dunkle, leidenschaftliche Augen.
Einmal, als sie an ihm vorbeilief und sich verstohlen umdrehte, um seinen Knackarsch zu bewundern, fing sie seinen Blick auf, weil er das Gleiche machte. Ertappt wirbelte sie herum und lief schneller, versteckte ihr Gesicht hinter den Büchern, während sie heimlich giggelte.
Wie blauäugig sie mit zwanzig gewesen war, dachte sie kopfschüttelnd, die behütete Tochter einer russischen Emigrantenfamilie mit striktem Moralkodex und gelebten Werten. Mit drei Brüdern gesegnet, kannte sie sich zwar ganz gut mit Männern aus, hatte aber trotzdem keine Ahnung in Sachen Dates und Flirten. Die paar jungen Typen, die sich in Blythe für sie interessierten, verkrümelten sich regelmäßig, wenn sie Firebirds Vater oder ihre Brüder bloß witterten. Zumal ihre Familie strikt dagegen war, dass das Mädchen sich verabredete. Irgendwann hatte Firebird sich bitterlich bei Zorana beschwert, dass sie als alte Jungfer sterben müsste, woraufhin Zorana ein Einsehen mit ihr hatte.
Firebird ging davon aus, dass sie den attraktiven Cop nie
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