Flammen Der Nacht -4-
Hitze unerträglich wurde, drängte er ein paar Schritte zurück.
Schließlich sah er durch eines der Fenster, worauf es ihm ankam. Ein Mann, hell brennend wie eine Fackel, tanzte ähnlich einem Derwisch, während er panisch schreiend versuchte, die züngelnden Flammen an seinem Körper auszuschlagen und mit letzter Kraft zu entkommen.
Onkel Ivan.
Onkel Ivan versuchte das Fenster zu öffnen. In diesem Moment barst das Glas, begleitet von verzweifeltem Gebrüll.
Der Busfahrer, den Vadim für die Fahrt zum Flugfeld angeworben hatte, sprang die Busstufen hinunter und würgte.
Das Feuer leckte an den Verandastreben, kletterte in Richtung Dachstuhl, spaltete die Holzschindeln und sprang auf den alten toten Baum über, der im Hof stand. Bei den Autos, die rings um das Haus parkten, platzte die Farbe ab, aus dem alten Volvo stiegen zinngraue Rauchwolken.
Aus dem hinteren Eingang des Hauses erklang ein animalisches Kreischen, und eine brennende menschliche Fackel rannte in Richtung Wald, schlug eine flammende Schneise auf dem verdorrten Gras.
Im Haus hetzte Onkel Ivan von einem Fenster zum anderen, seine Lippen zu einem stummen martialischen Schrei geöffnet. Er war kein Mensch mehr, sondern nur noch Nahrung für das Feuer.
Zufrieden mit dem Resultat seiner Aktion stapfte Vadim zum Bus. An Bord blickte er von einem Gesicht zum anderen, in intelligente wie ignorante, einige animalisch anmutend, andere kontrolliert ihre Gabe
einsetzend – und alle beobachteten ihn mit einer Mischung aus Entsetzen und Ehrfurcht.
Gut. Er hatte zwei Dinge erreicht: Erstens hatte er sich von Onkel Ivan und seinem Teufel befreit, zweitens war er auf einem guten Weg, seine Macht über den Varinski-Clan zu festigen.
Er winkte Georgly zu sich.
Georgly lief strahlend nach vorn.
Vadim fuhr den Busfahrer an: »Hören Sie auf zu kotzen und fahren Sie endlich los, sonst mach ich Briketts aus Ihnen.«
Der Mann wurde aschfahl im Gesicht und gehorchte. Als sie losfuhren, warf Vadim einen letzten Blick auf sein altes Zuhause.
Onkel Ivan hatte es irgendwie geschafft, aus dem Haus zu kommen. Funken sprühend stand er schwankend auf der Veranda, als plötzlich das Dach einstürzte. Er war bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Trotzdem gewahrte Vadim aus der Entfernung das gruselig blaue Leuchten in den Tiefen seiner Iris.
»Bye-bye, Onkelchen«, murmelte er und salutierte ironisch. Dann zog er seine Aktenmappe unter dem Sitz hervor, stülpte sich einen Kopfhörer über die Ohren, schaltete den iPod ein und schloss die Augen. Lauschte andächtig dem Hörbuch von Reverend Dean Dowling, Success Through a Better You .
Dabei entging ihm, ganz hinten im Bus, das gruselige blaue Leuchten, das in zwei braunen Augen aufblitzte.
19
S ie würden sterben. Firebird wusste es. Die Klippen verschwanden in der Ferne. Die Strömung zog sie immer weiter und immer schneller hinaus. Der Sturm heulte unsäglich, die Wellen warfen sie wie Treibholz hin und her.
Trotzdem lachte sie.
Sie litt an Unterkühlung. Auch das wusste sie. Sonst hätte sie bestimmt nicht gegiggelt wie ein Broadwaystar, der eine Irre spielen soll.
Ihre Arme um seinen Hals geschlungen, machte sie kräftige Kraulschläge mit den Füßen, um Douglas zu helfen, über Wasser zu bleiben. »Wusstest du übrigens, dass Leute, die an Unterkühlung leiden, nicht mehr … nicht mehr …« Sie schüttelte sich vor Kälte. Verflixt und zugenäht. Was wollte sie noch gleich sagen? »Wusstest du, dass Leute, die an Unterkühlung leiden, nicht mehr rational und koordiniert sind?«
Die Wellen hoben und senkten sich, gigantische Wogen, die sie auf ihre Kämme hoben, um sie dann, Sekunden später, in die frostigen, dunklen Fluten zu stürzen.
Douglas versuchte, Firebirds Kopf über Wasser zu halten, doch sie spuckte und lachte bloß, sobald ihr das eisige Wasser ins Gesicht spritzte. »Ich weiß es.«
»Was weißt du?«
»Dass die Leute, die an Unterkühlung leiden, sich irrational verhalten.« Er lachte nicht. Im milchig weißen
Mondlicht mutete sein Gesicht bleich und steinern an wie die aufragenden Klippen.
»Kopf hoch, Schätzchen. Wir sind bald in China.« Sie schauderte abermals, ihre Zähne schlugen klappernd aufeinander. Als der Krampf nachließ, küsste sie ihn und sang: »I’m gonna get you on a slow boat to China …«
Wieder rollte eine Welle heran, warf sie hoch und stürzte sie in die Tiefe.
Sie wischte sich ihr Gesicht, blies Salzwasser aus der Nase und sang lauter: »Get you in my arms
Weitere Kostenlose Bücher