Flammen der Rache
aufgewühlt bist. Wenn du möchtest, versetze ich dich mit einer Phrase in einen tiefen Schlaf, bis ich entscheide, dich zu wecken. Was soll es sein? Wählst du das süße Vergessen, oder ziehst du es vor, dich in Seelenqualen in einem verschlossenen Raum zu winden und darüber zu brüten, wie du dich einer verräterischen Schlange namens Lily Parr zuliebe selbst ins Verderben gestürzt hast?«
»Fick dich!«, brüllte er.
King schnalzte mit der Zunge. »Ach, Bruno. Wieso überrascht mich das nicht? Du bist genau wie deine Mutter. Du weißt einfach nicht, wann es genug ist. Hobart, Julian, bringt ihn weg.«
Sie durchschnitten die Fesseln und banden seine Handgelenke mit den Knöcheln zusammen. Anschließend stülpten sie ihm die Tüte über den Kopf und zogen das Durchziehband so straff, dass es ihm die Luft abschnürte. Sie schleiften ihn irgendwohin. Eine Tür ging auf. Er wurde auf einen Holzboden geschleudert. Die Tür krachte ins Schloss. Schließmechanismen rasteten ein. Mit all seiner Willenskraft versuchte Bruno, das Vergessen selbst herbeizuführen, aber sein mit Stresshormonen vollgepumptes Hirn ließ das nicht zu.
Daher blieb ihm nur, sich in Seelenqualen zu winden.
32
Kev schlug auf dem Boden auf. Er sah, wie Petrie sich schützend über Rosa warf. Das Panoramafenster war zerschmettert, überall lagen Scherben. Dem Glastisch war es nicht besser ergangen.
Er sah sich nach Sean um. Der Teppich war mit Espressotassen, Kaffeeflecken, zerkrümeltem Gebäck und Glassplittern übersät.
Und da war Blut. Constantina lag mit aufgerissenem Mund neben dem umgekippten Metallgestell des Couchtisches. Ihre Kehle war eine zerfetzte, klaffende Wunde. Eine Blutlache sammelte sich unter ihrem Kopf. Ihre dicke, geflochtene Goldkette lag wie eine rote Schlinge um ihren Hals.
Sean spähte um die Couch herum. Ihre Blicke trafen sich. Rosa schrie wie am Spieß. Kev hörte es kaum. Seine Ohren waren taub von den Schüssen. Dass sie schrie, war ein gutes Zeichen. Zumindest war sie am Leben. Petrie lag noch immer quer über ihrem Schoß und presste die Hand an seine Flanke. Zwischen seinen Fingern quoll Blut hervor. Scheiße!
Das
war kein gutes Zeichen.
Kev zeigte auf sich selbst, dann in Richtung Foyer. Er gestikulierte zu Sean und anschließend zu dem zerbrochenen Panoramafenster. Sein Bruder nickte.
Kev robbte auf dem Bauch über den Teppich. Don Gaetano lag auf der Seite, jeder Atemzug ein angestrengtes Keuchen. Seine Lippen und sein Kinn waren voller Blut. Er presste eine Hand auf seinen Magen. Er hatte einen Bauchschuss, und allem Anschein nach war er auch in den Oberschenkel getroffen worden. Er tat Kev leid, trotzdem hielt er weiter auf das Foyer zu. Er war zu dicht am Boden, um aus den Fenstern sehen und festzustellen zu können, wie viele Schützen es waren und aus welcher Richtung sie feuerten. Er schlich die Treppe bis zum ersten Absatz hoch und linste durch die Metallstangen des Geländers aus den hoch aufragenden Fenstern.
Kev entdeckte niemanden auf dem Rasen, beobachtete jedoch weiter, wartete …
Da! Ein grünes Etwas, das sich verstohlen in den Rosensträuchern um den Springbrunnen bewegte. Die Person stürzte zur Tür, kam in seine Richtung. Kev kletterte auf das Geländer und machte sich bereit. Er sprang ins Leere, bekam den riesigen schmiedeeisernen
candeliera
zu fassen und baumelte daran wie ein Affe. Gleich einem Pendel schwang der Lüster laut knarzend durch die Luft und zerrte an den in der Decke montierten Bolzen. Kev beschwor sie, bitte, bitte noch zu halten.
Während der Kronleuchter gemächlich hin- und herschaukelte, zog Kev sich hoch und rollte sich zusammen. Er sah aus dem Augenwinkel, dass Sean im Wohnzimmer neben dem Panoramafenster kauerte. Sein Bruder spähte an den Vorhängen vorbei, die im Luftzug wogten. Er schaute hoch und schüttelte den Kopf. Kev gestikulierte mit dem Kinn zur Haustür.
Sean brachte sich in Position und zog seine Waffe. Das Schaukeln des
candeliera
verlangsamte sich, aber er ächzte noch immer und warf einen Schatten, der sich bewegte. Er wurde langsamer und langsamer. Kev hielt den Atem an. Der Knauf drehte sich.
Der Lauf eines Scharfschützengewehrs tauchte noch vor dem Mann in der Tür auf. Nein – es war kein Mann. Es waren schmale, gebräunte weibliche Hände, die das M4 hielten. Eine abgezehrte Frau in Tarnkleidung, mit einer graugrünen Kappe auf dem Kopf.
Sie schaute hoch, um zu sehen, was den Schatten erzeugte. In dem Momente feuerte Sean einen
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