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Flammen des Himmels

Flammen des Himmels

Titel: Flammen des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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nehmen durfte. Der Weg bis dorthin aber würde wahrscheinlich mit Ohrfeigen gepflastert sein.

10.
    Z unächst konnte Lothar Gardner sich nicht vorstellen, wie er den Auftrag seines Vaters erfüllen sollte. Gerüchte besagten, dass die Wiedertäufer in Münster immer mehr an Macht gewannen. Die beiden alten Bürgermeister, die sich gegen sie gestellt hatten, waren bereits vertrieben. Nun verließen auch viele eingesessene Bürger die Stadt, und dafür strömten immer mehr Fremde hinein. Lothar hätte keinen schimmeligen Pfennig dagegen gewettet, dass es sich bei diesen um Anhänger des in Straßburg inhaftierten Ketzerpropheten Melchior Hoffmann handelte. Diese Häretiker hatten inzwischen einen neuen Propheten, einen Holländer namens Jan Matthys, der sein Brot früher als Bäcker verdient hatte und nun mehr von Theologie zu verstehen glaubte als der Papst und sämtliche Bischöfe zusammen.
    Lothar hätte sich gerne mit seinem Vater beraten, doch Magnus Gardner war bereits am nächsten Morgen abgereist, um Franz von Waldeck beizustehen. Für den Fürstbischof ging es nicht nur um seine Herrschaft in Münster, sondern auch um sein Ansehen. Niemand, der über ein geistliches Fürstentum gebot, durfte zulassen, dass sich ausgerechnet in seiner Residenzstadt Ketzer ausbreiteten und ihn dort entmachteten.
    Auch an diesem Morgen las Lothar die Berichte durch, die Leander von Haberkamp von den wenigen Freunden erhielt, die ihm in der Stadt noch verblieben waren, und schüttelte immer wieder den Kopf. »Sind die Leute in Münster vollkommen verrückt geworden?«
    Sein Gastgeber lachte bitter auf. »Fast könnte man es meinen! Oder besser gesagt, man könnte Angst bekommen vor dem, was auf uns zukommen wird. Zuerst sah es so aus, als würde Münster sich dem Luthertum zuwenden, und nun haben die Wiedertäufer das Sagen. Das ist schlecht, denn mit Lutheranern kann man noch verhandeln. Mit den Wiedertäufern ist dies unmöglich. Die glauben an das Ende der Welt und daran, dass sie als Einzige auserwählt sind. Selbst das drohende Ende auf dem Scheiterhaufen ist ihnen nicht Mahnung genug, ihren Irrlehren abzuschwören, denn sie erwarten, von Gott einen neuen, schöneren Leib zu erhalten als den, der im Feuer vergeht.«
    »Also muss ich mich selbst vergewissern, was dort geschieht«, sagte Lothar bedrückt.
    »Das solltet Ihr tun! Dafür aber werdet Ihr Euch als Wiedertäufer ausgeben müssen, sonst kommt Ihr nicht nach Münster hinein. Das dürfte allerdings schwierig werden, denn Ihr kennt keinen dieser Ketzer persönlich und habt daher niemanden, der für Euch bürgen könnte. Diese Schurken weisen Reisende, die sich nicht offen zu ihrem Irrglauben bekennen, bereits an den Toren ab.« Haberkamp bezweifelte, dass der Bursche überhaupt etwas erreichen konnte. Dafür sah er ihm doch etwas zu weich aus. »Was ich für Euch tun kann, tue ich. Aber ich kann Euch nicht heimlich nach Münster hineinschaffen«, setzte er leise hinzu.
    »Nein, das könnt Ihr nicht.«
    Lothar überlegte, wie er es anstellen konnte, unauffällig in die abtrünnige Stadt zu gelangen, doch seine Gedanken drehten sich im Kreis. Es war unmöglich, Münster als Lothar Gardner zu betreten, denn einige Ketzerführer kannten seinen Vater und würden versuchen, diesen mit ihm zu erpressen.
    »Ihr solltet frühstücken, Neffe. Mit vollem Magen denkt es sich besser als mit leerem«, forderte Haberkamp seinen jungen Verwandten auf.
    Lothar nickte unbewusst und folgte seinem Gastgeber in das Erkerzimmer, in dem dieser speiste, wenn nicht zu viele Gäste erschienen waren. Als sie sich setzten, steckte eine alte Magd den Kopf zur Tür herein.
    »Soll ich auftragen?«
    »Natürlich! Oder glaubst du, wir sitzen hier, weil es uns so gut gefällt?«, antwortete Haberkamp verärgert.
    Lothar sah der Magd zu, die nun die Krüge mit dem Morgenbier hereinbrachte und anschließend zwei Näpfe mit Haferbrei auf den Tisch stellte. Bei dem Anblick erinnerte er sich, dass es einer der Fastentage im Jahr war, an dem man auf Fleisch verzichten musste. Mehr als das interessierte ihn jedoch die alte Frau. Sie war etwa so groß wie er, ausgesprochen hager und hatte ein Gesicht, in das sich bisher nur wenige Falten eingegraben hatten. Anmutig waren ihre Bewegungen allerdings nicht zu nennen, und ihre Stimme klang etwas zu dunkel.
    »Kannst du mir noch ein Stück Brot bringen?« Unwillkürlich ahmte Lothar den Tonfall der Alten nach. Das fiel weder ihr noch seinem Gastgeber auf. In

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