Flammen des Himmels
ins Unglück. Weshalb verhandeln sie nicht mit dem Fürstbischof? Es wäre gewiss eine Lösung im guten Sinne möglich.« Frauke senkte betrübt den Kopf und rieb sich eine Träne aus den Augen.
Unterdessen ließ Lothar den Schöpfeimer in die Tiefe und zog ihn voll wieder heraus. Als die nächsten Frauen erschienen, waren sein Eimer und die beiden von Frauke bereits gefüllt.
Lothar reichte den Schöpfeimer an Mieke Klüdemann weiter, der es nach dem Verlust von Frauke und deren weiblicher Verwandtschaft nicht gelungen war, eine neue Magd zu finden. Nun schimpfte die Frau, weil die Fremde ausgerechnet Frauke half anstatt ihr, wie es in einer gerechteren Welt hätte sein müssen.
Aber Frauke und Lothar kümmerten sich nicht um das keifende Weib, sondern machten sich auf den Weg zu dem kleinen Häuschen an der Stadtmauer. Lothar trug Fraukes Eimer, die schwerer waren als der seine, und ignorierte dabei ihren vorwurfsvollen Blick.
Zu Hause angekommen, stellte er die Eimer ab und legte Holz nach. »Damit es ein bisschen wärmer wird«, meinte er und wies auf den Kessel, der neben dem Feuer stand und bereits dampfte. »Mein Kräutersud ist gleich fertig. Ich habe ein wenig Süßholz geraspelt und mit geschnittenen Pfefferminzblättern gemischt. Willst du probieren? Es schmeckt sehr gut!«
»Süßholz ist doch sehr teuer!«, rief Frauke erstaunt.
Lothar schüttelte lächelnd den Kopf. »Mich hat es keinen Pfennig gekostet, denn die Plünderer haben es in dem Haus liegengelassen, aus dem ich meine Möbel geholt habe. Sie kannten wohl seinen Wert nicht oder hielten es gar für ganz gewöhnliche Holzstückchen. Mir kommt das sehr zupass. Ich habe Süßholz schon als Kind gemocht.«
»Ich auch, aber ich habe es nur an den heiligsten Feiertagen und seit einigen Jahren gar nicht mehr erhalten.« Frauke seufzte.
Lothar reichte ihr ein Stück. »Hier, das kannst du kauen. Ich schenke uns unterdessen meinen Aufguss ein. Der wärmt, sage ich dir!«
In der Zeit, in der er nun als Frau verkleidet in Münster lebte, hatte Lothar sich einiges an hausfraulichen Fertigkeiten aneignen müssen. Mittlerweile kam er ganz gut durch, auch wenn er noch nicht in der Lage war, sich mehr als einen schlichten Eintopf zu kochen. Da die meisten Bewohner der Stadt nicht besser lebten als er, gab er sich damit zufrieden.
Frauke ging unterdessen einiges durch den Kopf. Wie es aussah, konnte ihre neue Bekannte nicht die Ehefrau eines einfachen Mannes gewesen sein. Dafür sprach sie zu gewählt. Auch hätte ein schlichtes Weib das Süßholz nicht erkannt, sondern es als Reisig in den Herd gesteckt. Fragen über Fragen türmten sich vor ihr auf, auf die sie keine Antwort wusste.
Ein wenig zögerlich nahm sie den Becher entgegen und nippte vorsichtig an dem Getränk. Die Mischung aus Pfefferminze und Lakritz schmeckte zwar eigenartig, ließ sich aber gut trinken.
»Gar nicht schlecht!«, lobte sie.
»Man muss in diesen Zeiten zusehen, wie man durchkommt«, antwortete Lothar geschmeichelt und gab seiner Besucherin damit unbewusst ein Stichwort.
»Diese Zeiten ängstigen mich! Ich fragte mich, was werden soll, wenn Jan Matthys’ Prophezeiungen sich ebenfalls als falsch erweisen sollten, so wie es bei den Voraussagen von Melchior Hoffmann der Fall gewesen ist.«
Zu Hause hätte Frauke diese Frage niemals stellen dürfen, ohne Schelte oder gar Schläge zu erhalten. Doch bei Lothar, den sie immer noch als Lotte ansah, glaubte sie, sagen zu können, was ihr Herz beschwerte.
Lothar wiegte nachdenklich den Kopf. »Gelegentlich frage ich mich das auch.«
»Du glaubst also ebenso wenig daran!« Frauke warf ihrer Gastgeberin einen ebenso dankbaren wie ängstlichen Blick zu.
Lotte war ihr in der kurzen Zeit ihrer Bekanntschaft zu einer Freundin geworden, die sie nie besessen hatte. Jetzt fasste sie nach deren Hand und hielt sie fest. »Hast du auch Angst vor dem Morgen?«
»Angst? Nein. Eher Sorge um die Menschen, denen ich Gutes wünschte und denen doch so viel Schlimmes droht.«
»Ich habe Angst!« Frauke schüttelte sich und starrte düster vor sich hin. »In der Nacht, wenn ich nicht schlafen kann, stelle ich mir vor, was geschehen könnte, wenn der Heiland doch nicht erscheint. Alle hier glauben es und machen sich daher keine Gedanken darüber, was sein wird, wenn die Prophezeiung sich nicht erfüllt. Die meisten Täufer sind einfache, friedliche Menschen, die nur so leben wollen, wie sie es sich vorstellen.«
»Das vermag in dieser Zeit
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