Flammen des Himmels
mit den himmlischen Heerscharen erscheinen und Matthys und dessen kleiner Schar vorausgehen. Aber nicht nur Frauke war davon überzeugt, dass die anderen Täuferführer ihren Propheten dafür bestrafen wollten, dass er sie in die Irre geführt hatte.
In ihrer Nähe kreischte Mieke Klüdemann auf. »Gott ist mit uns! Tötet die Feinde! Lasst keinen am Leben!« In ihrem Wahn versetzte sie ihrem Ehemann einen Stoß. »Gehe hinaus und vollbringe den Willen des Herrn!«
Debald Klüdemann sah sich unsicher um, setzte sich dann aber in Bewegung. Zuerst wollte Arno, der sich rasch genug auf Bockelsons Seite geschlagen hatte, ihn daran hindern, sich Matthys anzuschließen, trat aber auf Heinrich Krechtings Wink einen Schritt zurück. Während Klüdemann sich zu den wenigen Gefolgsleuten gesellte, die Matthys geblieben waren, nutzte Faustus die Gelegenheit, sich von diesem abzusetzen. Sein Freund Isidor war jedoch zu langsam und wurde von Arno in die kleine Schar zurückgestoßen.
»Dein Weg führt dorthin!«, sagte der Söldner und wies auf das Ludgeritor.
Unterdessen hatte Jan Matthys sich wieder gefasst und funkelte Bockelson und Knipperdolling hasserfüllt an. »Ich gehe, um die Feinde des Herrn zu vernichten, und werde an der Seite unseres Heilands zurückkehren!«
Der drohende Tonfall seiner Stimme war unüberhörbar. Offenbar glaubte er daran, das Schicksal zwingen und sich danach an den beiden Verschwörern rächen zu können.
Bockelson nickte lächelnd. »Erfülle deine Weissagungen und siege, auf dass wir alle in Ehrfurcht das Haupt vor dir neigen, Bruder Matthys.«
Dann trat er zurück und gab seinen Männern den Befehl, dem Propheten und seiner Schar den Weg freizugeben.
»Ich fühle mich als Feigling, weil ich nicht dabei bin«, maulte Helm.
»Die dort«, Frauke wies mit dem Kinn auf Knipperdolling und Bockelson, »müssten sich viel mehr als Feiglinge fühlen.«
Doch nur wenige schienen so zu denken wie sie. Dem Jubel nach, der den Propheten begleitete, waren die Männer, die mit Jan Matthys hinauszogen, Auserwählte, die dafür doppelten Himmelslohn erhalten würden. Die Menge begann wieder zu beten, um den Heiland vom Himmel herabzurufen, auf dass er ihre Feinde vertilgte und sie zu seinen ewigen Jüngern erhob.
2.
N achdem es keine starken Frostnächte mehr gegeben hatte, waren die Brackensteiner mit Moritz und Draas näher auf Münster vorgerückt und hatten ihr Lager nicht weit vom Ludgeritor errichtet. An diesem Ostertag fiel es den Männern, aber auch den Frauen im Lager schwer, die nötige Ehrfurcht vor der Auferstehung Jesu Christi in Jerusalem aufzubringen. Nicht wenige fürchteten, die Prophezeiungen von Jan Matthys und anderen Anführern der Wiedertäufer könnten sich erfüllen und das Jüngste Gericht hereinbrechen. Dabei wünschten sich die meisten, das Weltengericht würde erst nach dem eigenen Tod kommen. Zuerst wollten sie leben und bei Gelegenheit auch ein wenig sündigen, und das war nachher wohl nicht mehr möglich.
Aus Furcht, die Wiedertäufer könnten in diesen Tagen einen Ausfall wagen, hatte Franz von Waldeck mehrere Fähnlein an diesem Tor zusammengezogen. Eines davon stammte aus Mainz. Das hätte die Brackensteiner wenig gestört, wenn nicht einer der Unteroffiziere der Mainzer ausgerechnet ihr ehemaliger Kamerad Hans gewesen wäre. Nicht wenige Brackensteiner hielten den Mann für einen elenden Deserteur, der sie im Stich gelassen hatte. Daher hatte es bereits Reibereien zwischen den beiden Fähnlein gegeben, die nicht selten in handfeste Raufereien ausarteten.
Der Hauptmann der Mainzer versuchte zwar, seine Männer in scharfer Zucht und Ordnung zu halten, doch Beschimpfungen wie »Pfaffenknechte« und Ähnliches brachten seine Männer immer wieder dazu, sich mit den Brackensteinern anzulegen. Emmerich von Brackenstein kümmerte sich nicht im Geringsten um seine Truppe, sondern überließ alles Moritz, der immer noch als Feldwebel besoldet wurde, aber die Aufgaben eines Offiziers erfüllen musste.
An diesem Tag war es doppelt schwer, Ruhe zu bewahren. Beide Fähnlein standen nebeneinander, um einem möglichen Angriff der Wiedertäufer zu begegnen. Das lange Warten ließ die Männer unruhig werden, und so flog mancher Fluch und manches Schimpfwort hin und her.
»Verdammt noch mal, jetzt gebt endlich Ruhe!«, schalt Moritz, als der Wortwechsel in ernsthafte Beleidigungen umschlug.
»Die hätten uns auch ein anderes Fähnlein schicken können als diese Pfaffensoldaten«,
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