Flammen des Himmels
ihn höhnisch angrinste. »Na, was sagst du jetzt? Wir haben diesem holländischen Propheten gezeigt, was seine Weissagungen wert sind. Damit werden diese Ketzer ihren Irrglauben wohl ein für alle Mal aufgeben.«
Es juckte Moritz in den Fingern, seinem einstigen Kameraden ein paar schallende Ohrfeigen zu verpassen. Er beherrschte sich jedoch und wandte sich Draas zu. »Irgendwie quaken die Frösche heute besonders laut.«
»Das tun sie!«, antwortete Draas. »Aber wir sollten uns nicht darum kümmern, sondern die Wälle der Stadt im Auge behalten. Ein paar Verrückte erschlagen kann jeder. Doch in Münster lauern mehrere tausend Ketzer, die sich einen Spaß daraus machen würden, einem Pfaffenknecht die eigenen Eingeweide zu zeigen.«
Hans’ Hand wanderte zum Schwertgriff, doch ein scharfer Befehl seines Hauptmanns brachte ihn dazu, sich wieder in sein Fähnlein einzureihen. Dort feierte er mit seinen neuen Kameraden den Erfolg über Matthys’ Schar, und als später der Wein floss, schwemmte dieser den Ärger über Moritz und die anderen Brackensteiner hinweg.
Sie sind doch nur neidisch, dachte er und erwartete ebenso wie viele andere, dass die Ketzer nach dem Ende ihres Anführers und dem Ausbleiben der Wiederkehr Christi die Waffen strecken würden.
3.
D ie meisten Bewohner von Münster hatten das Ende von Jan Matthys und seiner kleinen Schar von den Mauern und Wällen aus beobachtet. Jene, die gezwungenermaßen die Taufe hatten hinnehmen müssen, benötigten ihre ganze Beherrschung, um nicht laut zu jubeln. Andere hingegen gebärdeten sich wie von Sinnen. Zu diesen gehörte auch Mieke Klüdemann, die nicht begreifen konnte, wieso Jesus Christus nicht erschienen war, um ihren Ehemann zu retten.
Auch Isidor war tot. Bis zu diesem Tag hatte Faustus das Ganze für ein großes Abenteuer gehalten, bei dem ihm und seinem Freund nicht viel geschehen konnte. Nun aber stand er mit schreckensstarrer Miene auf der Mauer und konnte den Blick nicht von der Stelle wenden, an der sein Freund das Leben verloren hatte.
Schließlich drehte er sich mit entsetztem Blick zu Bockelson um. »Wie konnte das geschehen? Wieso ist der Heiland nicht erschienen?«
Dieselbe Frage schien fast alle zu bewegen. Klagende Rufe erschollen, und einige sahen so aus, als wollten sie am liebsten sämtliche Tore öffnen und sich Franz von Waldeck unterwerfen.
Frauke und Lothar spürten, dass es nur eines einzigen Funkens bedurfte, um die Lage in Münster zu ändern. Doch bevor irgendjemand etwas unternehmen konnte, hob Bockelson beide Arme.
»Meine Brüder und Schwestern! Unser Herr im Himmel hat unseren Bruder Jan Matthys gewogen und als zu leicht befunden. Anstatt sich mit den Ältesten und Weisesten unseres Glaubens zu beraten, wurde Bruder Matthys von Hochmut erfasst und hat sich hinreißen lassen, sich über alle zu erheben. Gott hat dies missfallen, und er hat beschlossen, unseren Bruder zu bestrafen. Damit wir aber nicht den Glauben verlieren und uns vor denen in den Staub werfen, die Gott verworfen hat, sagte er einigen von uns Jan Matthys’ Ende voraus, verbot uns aber, darüber zu sprechen, ehe es getan war.«
»So ist es!«, klang da Bernd Knipperdollings Stimme auf. »Auch ich hatte diese Vision und den strikten Befehl unseres Herrn Jesus Christus, nicht in das Schicksal unseres Propheten einzugreifen. Allerdings befahl der Herr im Himmel mir, dafür zu sorgen, dass nur wenige von uns durch Bruder Jans Hochmut zu Schaden kommen.«
Nun ergriff wieder Bockelson das Wort. »Eines aber hat Bruder Matthys verschuldet! Unser Herr Jesus Christus wird erst dann zu uns herabsteigen, wenn wir uns seiner Wiederkehr würdig erwiesen haben. Bis dorthin werden wir unser Leben im völligen Einklang mit dem Evangelium führen und uns der Feinde erwehren, die nicht nur unser Leben, sondern auch unser Seelenheil bedrohen.«
Die Menge hatte seiner Ansprache zunächst überrascht gelauscht. Dann brachen die, die sich mit Haut und Haaren den täuferischen Lehren verschrieben hatten, in Jubel aus. Sie sahen sich nicht, wie sie zuerst geglaubt hatten, von Christus verlassen, sondern fühlten sich durch Bockelsons Worte bestärkt und getröstet. Auch wenn Jan Matthys einem Irrtum erlegen war und für diesen hatte büßen müssen, würde Jesus Christus trotzdem vom Himmel steigen und sein göttliches Himmelreich errichten.
Frauke bemerkte mit Schrecken, dass ihre Geschwister sich ebenfalls von Bockelson beeinflussen ließen. Während Helm den neuen
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