Flammen des Himmels
den Augen. Aber es deutete nichts darauf hin, dass die Täuferführer einen Angriff erwarteten oder selbst etwas unternehmen wollten.
»Wir sollten lieber doch das Tor stürmen und die Bischöflichen hereinlassen«, raunte Helm Faustus zu.
Der nickte verkniffen. Es war etwas anderes, mit großer Übermacht das halbe Dutzend Wächter an der Servatipforte zu überwältigen und den Landsknechten den Rest zu überlassen, als selbst mitten in der Stadt einen Aufstand zu wagen.
»Das wäre sicher auch Lothars Meinung. Ich wollte, er wäre hier!« Noch vor wenigen Wochen wären diese Worte niemals über Faustus’ Lippen gekommen.
Helm nickte heftig. »Da hast du recht! Andererseits würden Mollenhecke und die anderen niemals auf ihn hören.«
»Wir stürmen!« Mollenheckes Befehl beendete die kurze Unterhaltung der beiden Freunde.
Als die Gruppe auf das Rathaus zueilte, hielten Faustus und Helm sich im Hintergrund. Auch der Söldner Arno ließ die meisten an sich vorbeirennen, bevor er sich anschloss, während Gresbeck über ein Loch im Pflaster stolperte und dadurch von den anderen überholt wurde.
Die wenigen Wachen vor dem Rathaustor waren rasch überwältigt. Dann drangen die Verschwörer mit Mollenhecke an der Spitze in das Gebäude ein. Zunächst wusste keiner von ihnen, wo Bockelson zu finden war. Da öffnete sich eine Tür, und Knipperdolling blickte heraus, um nachzusehen, was der Lärm bedeutete.
»Dort sind sie!«, rief Mollenhecke jubelnd und hielt Knipperdolling das Schwert an die Kehle. Der Statthalter des Königs von Neu-Jerusalem griff zwar noch zur eigenen Waffe, brachte sie aber nicht mehr aus der Scheide. Als er sah, dass Widerstand zwecklos war, hob er die Hände.
Wenig später hatten die Verschwörer auch Jan Bockelson festgesetzt. Anderen Anhängern des Königs von Neu-Jerusalem gelang es jedoch, durch einen Hinterausgang zu fliehen. Gleichzeitig klangen draußen Alarmrufe auf, und vom Turm der Lambertikirche rief das Signalhorn die Wiedertäufer zusammen.
»Das sieht nicht gut aus«, murmelte Helm, während die anderen bereits den Sieg errungen glaubten und ihre Gefangenen in den Stadtsaal schleppten.
»Jetzt ist’s aus mit dir, du Sultan mit den tausend Weibern!«, verhöhnte einer Bockelson und fuchtelte mit einem Dolch vor dessen Gesicht herum.
»Was wollt ihr?«, fragte der selbsternannte König.
Mollenhecke baute sich breitbeinig vor ihm auf: »Dich und die Deinen zum Teufel jagen, auf dass wieder ein christliches Leben in unser Münster zurückkehrt.«
»Ihr werdet selbst zur Hölle fahren und für alle Zeiten von tausend Teufeln mit eisernen Dornen gepeitscht werden!« Obwohl Bockelson wusste, dass sein Leben an einem seidenen Faden hing, versuchte er, sein Gegenüber niederzubrüllen.
Bernd Knipperdolling musterte unterdessen die Verschwörer, als wolle er sich jedes Gesicht genau einprägen. Aus einem unbestimmten Gefühl heraus wollte Helm nicht von ihm gesehen werden und zog Faustus ebenfalls aus dem Saal hinaus.
Dort trafen sie auf Gresbeck, der ebenso wie Arno den Raum nicht einmal betreten hatte. Als die beiden jungen Männer jetzt auf ihn zutraten, fragte er: »Haben sie den König so weit, dass er abdankt?«
»Davon war bis jetzt nicht die Rede. Mollenhecke und Bockelson drohen einander, dass der jeweils andere zur Hölle fahren wird.«
»Bei Gott, davon wird unsere Situation auch nicht besser! Draußen laufen die ganzen Ketzer zusammen, und hier geschieht nichts.« Arno hatte es kaum gesagt, als es vor dem Haus laut wurde.
»He, ihr da drinnen! Wenn unserem König etwas geschieht, werden wir jeden Einzelnen von euch auf eine Weise zu Tode foltern, wie es die Welt noch nicht gesehen hat!«
»Die Kerle meinen es ernst!«, knurrte Arno. »Es war ein Fehler, hierherzukommen. Hier sitzen wir wie eine Maus in der Falle.«
»Aber sie werden doch nicht angreifen, solange wir ihren König gefangen halten?«, sagte Faustus verwundert.
Bisher war er nur dann mutig gewesen, wenn es gegen Schwächere gegangen war. Nun aber standen sie mit weniger als hundert Mann gegen mehr als tausend.
»Das geht schief!«, prophezeite Arno. Als erfahrener Söldner hatte er ein Gespür für Gefahr entwickelt und war nicht bereit, wegen der Dummheit anderer ein frühes Ende zu nehmen. »Noch können wir durch den Keller raus. Wer zurückbleibt, muss sehen, wie er zurechtkommt.«
»Damit lassen wir die anderen im Stich«, wandte Helm ein.
»Wären die Kerle beim ursprünglichen Plan
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