Flammen des Himmels
stieg sie vom Wagen, setzte sich daneben und glättete den Boden mit ihrer Rechten.
»Wenn das hier die Stadt ist«, sagte sie und zog einen etwas nach Osten ausgebauchten Kreis, »dann befindet sich Lothars Hütte hier direkt bei der Stadtmauer. Ihr müsst vom Kreuztor nur ein Stück nach Süden gehen, um sie zu finden.«
»Woher weißt du, dass wir durch das Kreuztor in die Stadt eindringen wollen? Der Plan war doch geheim«, wunderte Draas sich.
Margret, die bislang stumm dabeigestanden war, musste lachen. »Du weißt doch, dass hier die Wände Ohren haben.«
»Verdammt! Wenn man euch beim Lauschen erwischt, ergeht es euch schlecht!«
»Du verdächtigst uns zu Unrecht«, erklärte jetzt Silke. »Margret und ich haben nichts mit dem Geschwätz zu tun, sondern diese Neuigkeit zufällig gestern durch Magister Rübsam erfahren.«
Draas fuhr empört auf. »Seit wann gebt ihr euch mit dem Kerl ab?«
Die beiden Frauen lachten ihn aus. »Wir waren auf der Latrine. Dorthin gehen wir immer zu zweit, weil wir einzeln durch einen wüsten Kerl abgefangen werden könnten. Bei der Gelegenheit haben wir Rübsam belauscht«, berichtete Margret.
»Der geht doch nicht auf den Abtritt der einfachen Soldaten!«, brummte Draas ungläubig.
»Wenn einer es eilig hat, kümmert ihn das nicht«, antwortete Margret noch immer lachend. »Aber um der Wahrheit die Ehre zu geben: Einer dieser mönchischen Schleicher und Rübsam haben sich bei der Latrine getroffen und über den bevorstehenden Angriff gesprochen.«
»Ihr Herr will immer noch alle Menschen töten lassen, die sich in Münster aufhalten. Der Mann macht mir Angst!« Silke klang so furchtsam, dass Draas sie am liebsten in die Arme genommen hätte, um sie zu trösten.
»Der Teufel soll den Inquisitor holen!«, fluchte er. »Aber gleichgültig, was auch geschieht – ich hole Herrn Lothar, Frauke und nach Möglichkeit auch deinen Bruder dort heraus. Aber wenn ich das schaffe, will ich eine Belohnung von dir!«
»Ich gebe dir alles, was ich habe!« Silke sah dabei so zart und verletzlich aus, dass Draas seine Forderung leidtat und er sie sofort wieder einschränkte.
»Wenn du mir Vergelt’s Gott sagst, muss es auch reichen.«
»Ein bisschen mehr dürfte es schon sein«, erklärte Margret spöttisch. »Einen Kuss oder zwei sollte Silke das Leben ihrer Geschwister doch wert sein.«
Silke sah Draas mit ernster Miene an. »Das ist es mir!«
Dabei musterte sie den ehemaligen Stadtknecht und fand, dass er eigentlich ein schmucker junger Mann war. Doch bei den Soldaten wollte sie nicht bleiben, und so wusste sie nicht, wie sie sich entscheiden sollte – falls ihr überhaupt eine Wahl blieb. Es tat ihr um Draas leid, und sie hoffte, dass Helm, aber auch Frauke und Lothar ihr helfen konnten, das Richtige zu tun. Vorher aber mussten die drei gerettet werden. Daher erklärte sie Draas haargenau, was sie wusste, und wies ihn auch auf ein paar Schleichwege hin, sollten die anderen Straßen durch Verhaue gesperrt sein.
Ihr Bericht war so lebhaft, dass Draas die Straßen und Plätze Münsters vor sich zu sehen glaubte. Daher konnte er hoffen, schneller bei Lothar zu sein als Gerwardsborn und die von ihm aufgehetzten Söldner.
»Danke, das war hilfreich!«, lobte Draas die junge Frau und kehrte zu Moritz und den Kameraden zurück, die sie bei ihrer Suche nach Lothar unterstützen sollten.
Unweit von ihnen machte sich die Sturmschar bereit. Zuvorderst standen die Männer, die in die Stadt eindringen und das Tor öffnen sollten. Das war eine gefährliche Angelegenheit, die leicht misslingen konnte. Doch als Belohnung lockte doppelter Sold und das erste Anrecht auf Plünderung. Das war die Sache allen wert.
Zu Draas’ und Moritz’ Ärger befand sich auch ihr ehemaliger Kamerad Hans, der sich mittlerweile voll und ganz dem Inquisitor angeschlossen hatte, in diesem Trupp. Falls es den Wiedertäufern nicht gelang, ihn rasch zu erledigen, würde er so viele von ihnen umbringen, wie es ihm möglich war.
»Wehe, der Kerl kommt uns in die Quere«, flüsterte Moritz und bewies Draas damit, dass er den Auftrag, Gardners Sohn zu retten, über die frühere Kameradschaft mit Hans stellte. Auch Draas warnte Hans in Gedanken davor, ihnen in den Rücken zu fallen. Er hatte genug von fanatischen Totschlägern, die behaupteten, Gottes Willen durchzusetzen, und die doch nur gegen dessen eherne Gebote verstießen.
Bald stieg die Nacht herauf und legte sich wie ein dunkles Tuch über das Land. Umso
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