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Flammen des Himmels

Flammen des Himmels

Titel: Flammen des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Täufer, wie sie sich nannten, eckten damit bei den anderen Reformatoren an und wurden aus deren Kreisen ausgeschlossen. Einige Täufergruppen lebten ihren Glauben im Geheimen oder fanden Zuflucht bei einzelnen toleranten Landesherren. Ihre Gemeinschaften bestehen teilweise bis in unsere Zeit.
    Andere Gruppen radikalisierten sich durch die Verfolgung. Der Glaube an ein nahes Weltengericht und den Jüngsten Tag kam auf sowie die Überzeugung, als Einzige von Jesus Christus auserwählt zu sein, in sein Reich – das himmlische Jerusalem – aufgenommen zu werden. Waren diese Wiedertäufer, wie sie von ihren Feinden genannt wurden, zu Beginn eher ein Ärgernis denn eine ernstzunehmende Konkurrenz im Kampf um Seelen, so änderte sich dies rasch. Da sie sich von Gott selbst über alle anderen erhoben glaubten, schlug ihnen Hass entgegen. Die ersten Täufer wurden vertrieben, später starben viele auf den Scheiterhaufen, dennoch konnte der Zulauf zu ihnen nicht gestoppt werden, zumal Propheten wie Melchior Hoffmann auftraten und die baldige Wiederkehr Christi verkündeten.
    Selbst als sich Melchior Hoffmanns Prophezeiung nicht erfüllte und dieser verhaftet wurde, hielten die Wiedertäufer an dem Glauben an das Jüngste Gericht fest. Neue Propheten tauchten auf und sammelten ihre Anhänger um sich. Einer von ihnen war Jan Matthys aus Haarlem, ein Bäcker, der ebenfalls glaubte, von Gott Visionen zu empfangen.
    Die Verfolgung durch Katholiken und Lutheraner verstärkte die Sehnsucht nach dem Weltengericht, durch das alle Bedrückung enden sollte, und so gelang es Jan Matthys, die unklaren Verhältnisse im Münsterland auszunützen und die Stadt Münster zum Sammelplatz seiner Anhänger zu machen. Der neue Fürstbischof Franz von Waldeck hatte seine Hauptstadt noch nicht betreten, weil der Stadtrat von Münster dies an Bedingungen knüpfte. Gleichzeitig befand sich mit Bernhard Rothmann einer der bedeutendsten Prediger seiner Zeit in Münster. Zuerst mehr dem Luthertum zugeneigt, wandte sich Stutenbernd, wie er genannt wurde, weil er anstelle geweihter Oblaten normales Brot für das heilige Abendmahl verwendete, immer mehr der täuferischen Lehre zu.
    Es gelang Rothmann, Teile des Rates der Stadt Münster, vor allem aber etliche der mächtigen Gilden auf seine Seite zu ziehen. Letztere hatten handfeste Gründe dafür: Die Kirche besaß in Münster große Liegenschaften und gestattete dort Handwerkern, ihrem Gewerbe nachzugehen. Da der Kirchbesitz nicht besteuert werden durfte, waren auch diese Handwerker von den üblichen Steuern befreit und konnten daher billiger produzieren als die städtischen Handwerker. Außerdem standen sie außerhalb der Zünfte und wurden als unlautere Konkurrenz angesehen.
    Die Wiedertäufer nützten den Unmut der Gilden aus, zogen deren Mitglieder auf ihre Seite und ergriffen allmählich in Münster die Macht. Versuche, den Einfluss Rothmanns und später der Wiedertäufer einzugrenzen, wurden gewaltsam niedergeschlagen. Als mit Jan Matthys schließlich der oberste Prophet der Wiedertäufer in Münster Einzug hielt, war die Entscheidung gefallen. Jeder Bürger und jeder Knecht, der sich nicht dem Glauben und der Herrschaft der Täuferführer unterwerfen wollte, wurde aus der Stadt vertrieben. Auch kam es zu einem Kirchensturm, bei dem die Symbole des verhassten alten Glaubens zerstört wurden.
    Jan Matthys hatte die Wiederkehr Christi auf den Ostertag des Jahres 1534 vorhergesagt. Als der Heiland jedoch ausblieb, griff Matthys mit einer kleinen Schar die belagernden Landsknechte an, um die himmlischen Mächte auf diese Weise zu zwingen, ihm beizustehen. Das taten diese nicht, und so wurden Matthys und seine wenigen Getreuen niedergehauen. Daraufhin gelang es Jan Bockelson van Leiden, einem von Matthys’ engsten Vertrauten, das Geschehen auf eine Weise darzustellen, die das Ausbleiben der Wiederkehr Christi schlüssig erklärte. Gleichzeitig setzte Jan Bockelson sich mit Hilfe von Bernd Knipperdolling und anderen Wiedertäuferführern an die Spitze der Gemeinschaft. Mehrere mit Leichtigkeit abgeschlagene Angriffsversuche der fürstbischöflichen Truppen mehrten Bockelsons Ruf, der Auserwählte des Himmels zu sein. In einer Mischung aus religiösem Wahn und Endzeitstimmung ernannte Bockelson sich selbst zum König von Neu-Jerusalem und Stellvertreter Christi auf Erden.
    Unterdessen belagerte Franz von Waldeck mit seinem Aufgebot aus dem übrigen Münsterland sowie angeworbenen Söldnern die Stadt.

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