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Flammen im Sand

Flammen im Sand

Titel: Flammen im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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Nein,
niemand würde ihr anmerken, dass sie sich trotzdem ein klitzekleines bisschen
darauf freute. Und das Prickeln, das ihr über den Rücken lief, als Geraldine
davon sprach, dass sie am Nachmittag Bekanntschaft mit Puder, Lidschatten und
Wimperntusche machen würde, versteckte sie ebenfalls hinter einer Miene, die
für Yvonnes Beerdigung angemessen gewesen wäre. Kurzerhand beschloss sie,
später, wenn sie auf dem Dorfplatz von dieser Modenschau berichtete, einfach
unerwähnt zu lassen, dass kurz vorher eine der beiden Modeschöpferinnen einem
schrecklichen Verbrechen zum Opfer gefallen war. Dann konnte ihr auch niemand
vorwerfen, sie habe das Vergnügen über die Pietät gestellt.
    Â»Der Sturm wird immer heftiger«, rief Geraldine ihr nach. »Morgen
soll es noch schlimmer werden! Ich glaube nicht, dass Sie dann mit dem Fahrrad
kommen können. Aber selbstverständlich hole ich Sie mit dem Wagen ab, wenn Sie
wollen.«
    Dieses Angebot versöhnte Mamma Carlotta mit vielem, was sie
Geraldine Bertrand heimlich angelastet hatte. Mit einem Wagen abgeholt zu
werden, das bedeutete, dass sie beinahe so wichtig war wie der Bürgermeister
ihres Dorfes, der sich auch gern abholen ließ, wenn er sich mit dem
Bürgermeister des Nachbardorfes zu einem Meinungsaustausch traf.
    Sie warf einen Blick zurück, ehe sie sich aufs Fahrrad setzte.
Geraldine Bertrand wandte sich gerade einer Kundin zu, die auf das Plakat an
der Eingangstür wies. Vermutlich würde sie jetzt eine weitere Eintrittskarte
für die Modenschau verkaufen und nicht bemerken, dass Mamma Carlotta in die
falsche Richtung davonfuhr. Nicht in Richtung Wenningstedt, sondern geradewegs auf
die Friedrichstraße zu. Hier stieg sie vom Fahrrad und schob es an den vielen
Geschäften mit den wunderbaren Auslagen vorbei. Sie blieb jedoch vor keinem
einzigen Schaufenster stehen, nein, sie wollte so schnell wie möglich ins
Polizeirevier Westerland.
    Ihr war warm geworden, als sie ihr Fahrrad vor dem Polizeirevier
abstellte und das Gebäude betrat. Die Freude, dass Rudi Engdahl und Enno
Mierendorf bei guter Gesundheit waren und dass sie sich für die Antipasti bedankten,
die Erik ihnen in Carlottas Auftrag mitgebracht hatte, erwärmte sie zusätzlich.
Den Auftrag, der sie hierher geführt hatte, vergaß sie sogar für kurze Zeit,
als Mierendorf ihr erzählte, dass seine Frau Karten für die Modenschau gekauft
habe und schon sehr gespannt auf die Mode für die mollige Dame sei. Reif wollte
er seine Frau mit ihren vierzig Jahren noch nicht nennen, aber er war sicher,
dass alles, was Mamma Carlotta gut stand, auch für seine Frau richtig sein
würde. »Sie haben ja so eine jugendliche Ausstrahlung, Signora!«
    Wenn das kein Grund zum Jubeln war! Mamma Carlotta tat es laut und
ausgiebig, bis Erik auf der Bildfläche erschien, um sich nach dem Grund der
Gefühlsausbrüche zu erkundigen, die sogar durch seine geschlossene Tür
gedrungen waren.
    Kopfschüttelnd betrachtete er seine Schwiegermutter. »Was gibt’s?
Hat das nicht Zeit bis zum Mittagessen?«
    Mamma Carlotta antwortete mit aller Entschlossenheit: »No!« Und da
sie an Eriks Gesicht ablas, dass er ihr nicht glaubte, ergänzte sie: »Ich habe
etwas entdeckt. Einen Beweis!«
    Â»Einen Beweis?« Erik runzelte die Stirn. »Wofür?«
    Â»Dass Jannes Pedersen seine Frau umgebracht hat.«
    Erik verdrehte die Augen. »Und wie sieht der Beweis aus?« Mit einer
Miene, die ihr zeigen sollte, wie bedeutungslos ihr sogenanntes Beweisstück
sein würde, nahm er den Brief entgegen, den Mamma Carlotta ihm hinhielt. Doch
sein Gesicht veränderte sich schlagartig, als ihm klar wurde, was er da in
Händen hielt. »Woher hast du das?«
    Mamma Carlotta hatte sich ihre Erklärung während des Nähens
gründlich zurechtgelegt. Sie war sicher, dass das, was sie Erik jetzt berichten
würde, nicht in den Bereich der Lügen fiel, sondern höchstens in die Kategorie
der improvisierten Wahrheiten. Sie würde nur etwas weglassen, was für ihn
vollkommen unwichtig war. Das konnte ihr niemand vorwerfen.
    Mit fester Stimme erzählte sie, dass Geraldine sie beauftragt habe,
den Blazer ihrer Schwester in die Wohnung zu tragen. »Aber gerade, als ich ihn
an die Garderobe hängen wollte, glitt er mir aus der Hand, und dieser Brief
rutschte aus der Tasche. Und als ich sah, dass der Brief an Elske

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