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Flammen im Sand

Flammen im Sand

Titel: Flammen im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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Warum auch nicht? Mamma Carlotta
hatte, als die beiden im Modeatelier ihre heimliche Verabredung trafen, auch
gleich durchschaut, was sie verband! Und das nicht nur, weil sie schon vorher
erfahren hatte, dass die arme Marikke Tadsen auf so schändliche Weise betrogen
wurde. Konnte es sein, dass sie Bescheid wusste? Dass sie schwieg, um ihren
Mann nicht ganz zu verlieren? Dass sie ihm gönnte, was er brauchte, damit sie
nicht verlor, was sie noch dringender nötig hatte? Mamma Carlottas Herz wurde
schwer, so voll von Mitleid war es.
    Â»â€¦Â lassen Sie uns miteinander reden, und fangen wir gleich heute
Abend beim leckeren Grünkohl damit an! Und dann, wenn wir satt sind, lassen Sie
uns anfangen zu handeln …«
    Grünkohl! Die Aussicht auf diese Mahlzeit lenkte sie von Marikkes
schwerem Schicksal ab. Würde sie es schaffen, aus Höflichkeit das Gericht der
Sylter zu probieren, das für diese zum Biikebrennen gehörte wie der
Weihnachtsbaum zum Heiligen Abend?
    Heimlich schüttelte sie sich, als sie daran dachte, wie sie am
Nachmittag in Käptens Kajüte eingekehrt und dort in einer Wolke aus
verbrauchter Luft und undefinierbaren Kochdünsten gelandet war. Erschrocken
hatte sie gefragt, ob Tove etwa eine schmutzige Socke in den Suppentopf geraten
war. Aber der hatte mit gekränkter Miene erklärt, dass er Grünkohl koche, weil
es am Tag des Biikebrennens in allen Gaststätten Grünkohl gab.
    Und dann hatte er Mamma Carlotta genötigt, einen Blick auf die
graugrüne Masse zu werfen, die in seinem großen Topf Blasen warf. Anscheinend
hatte Tove es wirklich für möglich gehalten, dass mit dieser Gegenüberstellung
Mamma Carlottas Appetit angeregt werden könnte. Doch bei diesem Anblick hatte
sogar ihr die Höflichkeit versagt, die allen Italienern heilig war.
    Entsetzt hatte sie abgewinkt, als Tove ihr das Angebot machte, ganz
unverbindlich und selbstverständlich kostenlos ein paar Gabeln des Grünkohls zu
probieren. »Perdio! Ob meine arme Lucia so etwas jemals essen musste?«
    Da ihr der Gedanke an den Grünkohl den Magen umdrehte, war in ihr
das dringende Bedürfnis entstanden, die winzige Örtlichkeit mit der schlechten
Belüftung aufzusuchen, die sie sonst gerne mied. Gegen die aufsteigende
Übelkeit hätte es sicherlich auch ein eiskalter Köm getan, den Fietje in allen
Lebenslagen als beste Medizin empfahl, aber gegen die Unhöflichkeit, zu der sie
sich gezwungen sah, half nur Flucht.
    Und in diesem Moment, gerade als das Nationallied angestimmt wurde,
fiel ihr ein, wann und wo sie den Mann mit der Hundeleine schon einmal gesehen
hatte. Am Nachmittag in Käptens Kajüte! Dort hatte er nach einer Toten Tante
verlangt. Nach einer doppelten! Und kurz darauf war er mit Tove in einen Disput
geraten. Sie hatte sich in der Toilettentür umgedreht, die Übelkeit war auf der
Stelle von ihr abgefallen, und ihr Magen hatte den Grünkohl schlagartig
vergessen.
    Da sie die Tür hinter sich zuschieben musste, um keinen Verdacht zu
erregen, war es ihr leider unmöglich gewesen, das geflüsterte Streitgespräch
der beiden weiterzuverfolgen. Als sie jedoch durch den Türspalt sah, dass Tove
mit einer ärgerlichen Bewegung die Tote Tante wieder hinter die Theke nahm, war
sie nicht mehr sicher, dass dieser Mann mit Tove krumme Geschäfte abwickelte.
Womöglich hatte er nur die Qualität der Toten Tante beanstandet und war
deswegen ärgerlich gewesen. Blieb nur noch die Frage, warum ein Mann wie er
ausgerechnet in Toves Imbiss-Stube eine Tote Tante erwartete, die seinen
Ansprüchen gerecht wurde.
    Nun, als sie feststellte, dass er sogar mit der Staatsanwältin
verwandt war, erschien es ihr allerdings verdächtig, dass ein Mann wie Stefan
Lürsen seine Tote Tante in Käptens Kajüte trank und nicht in einem hübschen
Café an der Friedrichstraße.
    Mamma Carlotta horchte nur kurz auf das Nationallied, das gerade
angestimmt wurde und »Unser Sylter Land« besang. Nein, das war kein Gesang, wie
sie ihn kannte, wie er in Italien zu einem Fest gehörte. Mühsam wurde hier ein
Ton hinter den anderen gesetzt! Und wenn die Melodie in die Höhe ging, folgten
ihr nur wenige, sodass der Gesang noch kümmerlicher wurde. Wo blieb da die
Fröhlichkeit, das Jubilieren? Und dann noch diese Sprache! Erik hatte sie schon
vorbereitet auf das Friesische, und so machte sie gar nicht erst den Versuch

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