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Flammen im Sand

Flammen im Sand

Titel: Flammen im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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Freiheit. Sofort drängte der Hund sich zwischen den Beinen der Umstehenden
hindurch, die Leine straffte sich, wenn es irgendwo einen Widerstand gab, und
lief dann mit einem Mal so schnell aus der Hand seines Besitzers, dass der sie
aufgeregt zurückholen wollte. Doch das war nicht möglich. Bei jedem Versuch
schrie in der Nähe jemand auf, schimpfte auf die Leine, die sich um Beine und
Kinderwagenräder wickelte, sodass Lürsen gezwungen war, ihr wieder Spiel zu
geben. Er tat es sichtlich ungern, denn er hatte den Hund nicht mehr im Blick.
Und das Tempo, mit dem der Ridgeback sich entfernte, ließ darauf schließen,
dass er aufgeregt war.
    In diesem Augenblick trat Stille ein. Der Bürgermeister von
Wenningstedt setzte zu seiner Rede an.
    Â»Wie schon seit Generationen entzünden wir Friesen auch
dieses Jahr überall an den Küsten unsere Feuer. Früher, um den Winter und die
Seefahrer zu verabschieden, heute als eines der letzten lebendigen Zeichen
unserer friesischen Wurzeln …«
    Mamma Carlotta hatte entdeckt, wo der Bürgermeister stand, und sich
ihm zugewandt. Sogar das Reden hatte sie eingestellt.
    Â»â€¦Â die Friesen-Traditionen zu bewahren, muss auch in Zukunft unsere
Aufgabe sein …«
    Sie sah Carolin, die mit einigen Freundinnen in der Nähe stand und
mit ihnen lautlos über einen Scherz lachte, und Felix, der das gelangweilte
Gesicht aufsetzte, über das sich sein Mathelehrer schon oft beschwert hatte.
    Â»â€¦Â die regionalen Besonderheiten sind Grundlage von Heimatverbundenheit
und Lebensqualität …«
    Erik sprach mit einer Frau, die, obwohl sie klein war, auf ihn
herabzusehen schien. Das lag wohl daran, dass sie sehr bestimmt redete, ihre
Worte mit herrischen Gesten begleitete und auf eine Art und Weise lächelte, wie
es der Lehrer in Carlottas Dorf tat, wenn er etwas von seinen Schülern
verlangte, was auf keinerlei Anklang stieß. Neben ihr stand ein elegant
gekleideter Herr mit einer Hundeleine in der Hand. Er sah sich um, als wartete
er darauf, dass die Biike endlich angezündet wurde.
    Â»â€¦Â es werden immer weniger Kinder auf der Insel geboren, und vielfach
führen Beruf und Studium die jungen Erwachsenen, oft für immer, aufs Festland …«
    Mamma Carlotta betrachtete den Hundebesitzer aufmerksam. Dieser Mann
kam ihr seltsam bekannt vor. Wo hatte sie ihn schon einmal gesehen? Es konnte
noch nicht lange her sein, ihre Erinnerung war noch ganz frisch. War sie ihm
bei Feinkost Meyer begegnet? Hatte sie an der Kasse ein paar freundliche Worte
mit ihm gewechselt? Oder beim Bäcker mit ihm über das Wetter geplaudert?
    Es wollte ihr nicht einfallen, was sie sehr bedauerte. Schließlich
gab es nichts Schöneres, als aufeinander zuzugehen, sich an eine Gemeinsamkeit
zu erinnern, sich über den Zufall zu wundern, der einen wieder zusammengeführt
hatte, und das Wiedersehen mit dem schönen deutschen Satz zu beenden, den Mamma
Carlotta sehr mochte: »Beim dritten Mal geben Sie einen aus!«
    Zwar hatte sie noch nie erlebt, dass dieser Vorsatz in die Tat
umgesetzt wurde, dennoch gefiel ihr allein die Aussicht außerordentlich. Sie
zeigte, dass auch die kühlen Norddeutschen sich über ein zufälliges Treffen
freuen konnten, was sie lange Zeit nicht für möglich gehalten hatte. Aber
dieser Mann sah gleichmütig über sie hinweg. Das konnte nur bedeuten, dass sie
sich getäuscht hatte oder er sie nicht wiedererkannte.
    Â»â€¦Â wir müssen wieder lernen, nicht für uns, sondern für das Wohl
unserer Insel zu handeln! Sonst wird sie austauschbar mit jedem anderen
Urlaubsort sein, ohne Gemeinschaftsgefühl, nur noch profitabel …«
    Mamma Carlottas Blick fiel auf Geraldine. Sie stand in der Nähe von
Wilko und Marikke Tadsen, schickte gelegentlich einen fragenden Blick zu Wilko
und dann einen undurchdringlichen, zweideutigen zu Marikke, der Mamma Carlotta
einen Schauer über den Rücken jagte.
    Â»â€¦Â lassen Sie uns dafür sorgen, dass der Profit unserer Insel nicht
ihre Individualität und ihren Charakter nimmt! Wir wollen einen Tourismus, bei
dem der Gast nicht nur Kunde ist, sondern Partner und Freund …«
    Marikke sah auf, als hätte sie Geraldines Blick gespürt. Sie gab ihn
so abfällig zurück, dass Mamma Carlotta plötzlich glaubte, sie wüsste von der
Affäre ihres Mannes mit Geraldine Bertrand.

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