Flammen über Arcadion
seinen Gedanken beschäftigt. Sie hatten sich so gut vorbereitet, wie sie konnten. Mehr gab es nicht zu tun.
Jonan dachte schon, die Warterei würde nie enden, als Enzo, der in regelmäßigen Abständen auf die Uhr geblickt hatte, ihm zunickte. »Es ist Zeit.«
Durch die aufgerissene Rückwand der Ruine verließen sie ihr Versteck und schlichen die dunkle Straße hinunter. Bewaffnet waren sie jetzt nur noch mit Jonans Elektroschockstab und Enzos Pistole. Die beiden Gewehre steckten in Jonans Beutel, der auf seinem Rücken hing. Mit ihnen offen durch Arcadion zu laufen wäre zu auffällig gewesen. Sie wussten nicht, ob sie sie brauchen würden, aber Vorsicht war besser als Nachsicht. Da Jonan seine Lampe Pitlit gegeben hatte, war er auf Enzo angewiesen, der seinen eigenen Strahler heruntergeregelt hatte, damit man den Lichtschein vom nahen Wall aus nicht sehen konnte.
Geduckt und immer aufTrümmerteile achtend, die ihnen als kaum sichtbare Hindernisse im Weg liegen mochten, arbeiteten sie sich bis zu dem breiten Streifen vor, der das Ödland vom Aureuswall trennte. Hier sanken sie hinter einem Betonklotz zu Boden und richteten ihre Aufmerksamkeit auf die Stelle der Stadtmauer, von der aus sie Pitlits Signal erwarteten.
Der nahe Dom des Lichts schlug gerade zur Mitternacht, als auf der Mauerkrone ein schwaches rötliches Licht aufleuchtete. Es blinkte ein paarmal, dann wurde es dunkel. »Da ist Pitlit.« Jonan atmete erleichtert auf. Der Junge hatte es tatsächlich geschafft.
So leise wie möglich huschten sie über die freie Ebene und in die tiefe Schwärze hinein, die am Fuß des Aureuswalls herrschte. Wie vereinbart sandte Enzo ein kurzes Blinksignal nach oben. Gleich darauf fiel ein Seil zu ihnen herab. In regelmäßigen Abständen wies es dicke Knoten auf, um das Klettern zu erleichtern.
Zweifelnd blickte Enzo das Seil hinauf. »Ich bin zu alt für solchen Mist«, knurrte er, bevor er beherzt zugriff und seine eigenen Worte Lügen strafte, indem er sich kraftvoll in die Höhe zog. Jonan folgte ihm.
Oben angekommen, wurden sie von Pitlit aufgeregt begrüßt. »Oh Mann, ich sage es euch, das war vielleicht alles knapp. Schon am Tor hätten sie mich beinahe eingesammelt, weil so ein Blödmann von den Feldern mit mir einen Streit anfangen wollte. Und dann war das Seil an der Mauer weg und das in dem Versteck von meiner Bande auch. Ich musste extra noch eins klauen, und dabei hätte mich fast … «
»Pitlit.« Jonan machte eine beschwörende Handbewegung. »Sei leise, sonst hört man uns noch. Und spar dir deine Erzählung für später auf. Unsere Zeit drängt.«
Der Junge schnitt eine Grimasse. »Was ist mit › Gut gemacht, Pitlit‹?«, fragte er missmutig.
»Gut gemacht, Pitlit«, sagte Jonan.
»Das klingt nicht so ganz ernst gemeint.«
»Ist es aber. Ehrlich. Und jetzt los. Ich muss zu Lucai und ihr zum Zweitversteck der Ascherose.« Er reichte Enzo den Beutel mit ihren Gewehren. »Hoffen wir, dass meine Rüstung noch da ist.« Es war nur einer von zwei Plänen, die sie sich überlegt hatten, um an Verkleidungen zu gelangen, die ihnen das Eindringen in die Kaserne erlauben würden. Aber Jonan hatte am Ende lieber zu viel als zu wenig Auswahl zur Hand. Und auch wenn die Rückkehr zu Adaras Wohnung ein gewisses Risiko darstellte, wollte Jonan die Chance, die Kampfpanzerung bei diesem Einsatz tragen zu können, nicht einfach so ungenutzt lassen.
Enzo nickte und schaute zu seinem jungen Begleiter hinunter. »Also los, mein Freund. Du kennst den Weg. Ich folge dir.«
»Bis später«, verabschiedete sich Jonan. Dann trennten sie sich.
Zu Fuß durchquerte Jonan die Stadt, bis er sich der Templerakademie näherte, an die auch die Kaserne der Tribunalpalastgarde angeschlossen war. Mit gesenktem Kopf marschierte er die Straße hinunter, bis er unter dem Fenster stand, das zu Lucais Quartier gehörte. Alles war dunkel hinter den Scheiben. Anscheinend schlief sein Freund schon.
Jonan griff in seine Jackentasche und holte eines der kleinen Trümmerstücke heraus, die er im Ödland eingesteckt hatte. Er nahm Maß und warf es gegen die Fensterscheibe. Leise klickend prallte es davon ab. Er wartete, doch nichts regte sich in dem Zimmer. Also warf er einen zweiten Stein und einen dritten.
Hierher zu kommen, wo es von fahnentreuen Gardisten und Jungtemplern nur so wimmelte, war im Grunde der schiere Irrsinn. Aber er musste mit Lucai reden, um herauszufinden, wohin die Garde Caryas Kapsel gebracht hatte. Hätte er
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