Flammen über Arcadion
zerstoben. Er hatte seine Kameraden bei der Garde verraten und eine Operation der Inquisition platzen lassen. Nicht nur sein Mentor Loraldi, für den Jonan kurz zuvor noch den Folterknecht gespielt hatte, sondern auch sein Vater war ohne Zweifel außer sich. Selbst wenn Jonan sich jetzt gestellt und Carya ausgeliefert hätte, wäre seine Karriere bei der Garde fraglos vorbei gewesen, und bis er sich den verlorenen Respekt seines Vaters zurückerworben hätte, würden Jahre vergehen.
Dennoch fühlte er sich, als sei eine große Last von seinen Schultern genommen worden – und das lag nicht nur daran, dass er seine Kampfpanzerung nicht mehr trug. Gestern Nacht mochte er sich im Affekt, in einem Aufwallen von Gefühlen für diese junge Frau, auf Caryas Seite geschlagen haben. Doch je länger er darüber nachdachte, desto richtiger kam ihm die Entscheidung vor. Sie war einem Befreiungsschlag gleichgekommen. Und nun beschwingte ihn der Widerstand gegen all das, was er insgeheim gehasst hatte, mit jeder Minute mehr.
Nur um die Menschen, mit denen er befreundet gewesen war, tat es ihm leid: Lucai beispielsweise oder ein paar der Bediensteten im Haus seines Vaters. Zu ihnen musste er den Kontakt nun zwangsläufig abbrechen. Aber vielleicht nicht für immer , dachte er. Wenn sich in den verborgenen Winkeln Arcadions bereits Gruppen wie diese hier formierten, mochte das ein Zeichen sein, dass doch etwas in Bewegung war, wenn auch nur zaghaft.
Carya blickte zu ihm auf. »Hallo, Jonan. Da bist du ja wieder. Wie sieht es draußen aus?«
»Besser, als ich dachte«, sagte er und setzte sich zu ihr. »Einem gezielten Angriff werden wir natürlich nicht entkommen können. Aber wenn wir etwas Vorwarnzeit haben, sollten unsere Aussichten gut sein. Allein aus diesem Keller gibt es acht verschiedene Ausgänge, zwei von ihnen führen sogar zu benachbarten Gebäuden. Mir war nicht klar, dass die Universität solch ein Labyrinth aus Gängen und Räumen besitzt. Ich frage mich, ob die neuen Studenten an ihrem ersten Tag einen Gebäudeplan in die Hand gedrückt bekommen.« Er grinste.
Doch sein Versuch, Carya etwas aufzumuntern, scheiterte.
»Ist alles in Ordnung mit dir?« Was für eine selten dämliche Frage im Augenblick , erkannte er gleich darauf. »Also, ich meine: Ist noch irgendetwas passiert?«
»Nein«, entgegnete Carya. »Mir geht es gut – jedenfalls soweit möglich.« Ihre Augen sagten etwas anderes, aber er wollte sie nicht bedrängen.
»Wo ist Giac hin?«, fragte er stattdessen.
»Er holt ein paar Sachen für mich. Er sollte bald wieder da sein.«
»Nun gut.« Jonan sah sich in dem Raum um. Es gab hier nichts für ihn zu tun, wenn er nicht irgendwelche Druckwerke der Mitglieder der Ascherose lesen wollte, die auf einem Tisch in der Ecke lagen. »Dann heißt es jetzt wohl warten.«
Es wurde Abend. Durch den schmalen Luftschacht vernahm Carya zuerst die Glocke der Universität, dann das geschäftige Fußtrappeln und Schwatzen der Studenten auf dem Nachhauseweg. Schließlich kehrte auf dem Campus über ihnen Ruhe ein. Wenig später tauchte Giac wieder bei ihnen auf.
Er brachte ihnen ein paar Vorräte, und zu Caryas großer Freude hing auch der Beutel, den Rajael ihr gepackt hatte, über seiner Schulter. »Hier«, sagte ihr Onkel. »Er lag noch wie beschrieben unter den Büschen auf dem Mauerrand. Ich habe nicht reingeschaut, und ich möchte auch nicht, dass du mir sagst, was darin ist. Je weniger gefährliches Wissen ich besitze, desto weniger kann ich preisgeben, sollte ich jemals in Gefangenschaft geraten.«
»Sag nicht so etwas«, bat Carya ihn, während sie den Beutel entgegennahm. »Niemand wird dich verhaften.«
»Ich bin nur realistisch, Carya. Wir haben bereits ein nicht ganz ungefährliches Spiel gespielt, bevor ihr zu uns gekommen seid. Und seitdem ist alles noch viel riskanter geworden.«
»War die Stadtwache bei dir?«, fragte Carya aus einer Ahnung heraus.
Giac nickte düster. »Sie stand vor meiner Tür, als ich heimgekommen bin. Zum Glück bin ich nie um eine gute Geschichte verlegen. Deshalb mach dir keine Sorgen: Ihr seid hier sicher – im Augenblick.« Seine Miene wirkte nicht ganz so selbstsicher wie seine Worte.
Carya blickte ihn schuldbewusst an. »Ich hoffe, sie kommen nicht wieder. Du sollst wegen uns keinen Ärger bekommen.«
Abwehrend hob er die Hände. »He, versteh mich nicht falsch. Ich beschwere mich nicht, denn ich habe es ja so gewollt. Ich sage nur, dass wir vorsichtig sein
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