Flammenbraut
gelegentlich prostituiert. Was, wenn Van Horn einer ihrer Kunden war?«
Das erschien Theresa tatsächlich plausibel. Ihrem Eindruck nach war Van Horn ein blasierter und hochnäsiger Mann gewesen, wahrscheinlich ziemlich einsam, der nicht gewusst hatte, wie er das ändern könnte. Er hatte sich vielleicht nach einem jungen Mädchen gesehnt, das die Rolle der bewundernden Schülerin einnahm, oder sich jemanden gewünscht, dem er sich überlegen fühlen konnte. Und Kim Hammond gegenüber hätte er sich sicher haushoch überlegen gefühlt. »Wer auch immer Kim getötet hat, hat dann beschlossen, auch ihren Freier umzubringen? Bezieht der Mörder daher seine Opfer?«, fragte Theresa.
»Zu unserem Glück war ihre Karriere in der Hinsicht wohl nicht sonderlich erfolgreich.«
»Ob ihre Mutter Kims Kunden oder Freunde wohl kennt? Der Junkie wohnte in der Nachbarschaft. Peggy Hall hat etwas weiter die Straße hoch gearbeitet.«
»Ich hatte den Eindruck, dass ihre Mutter lieber nicht zu viel über Kim wusste.«
Theresa sah sich noch einmal um, der Wind wehte ihr das Haar aus dem Gesicht. Van Horn musste viel Zeit in dieser Gegend verbracht haben, wenn er Züge zeichnete, im Hauptsitz der Preservation Society vermutlich, der nur einen kurzen Fußmarsch den Fluss hinauf entfernt war. Und Kim hatte beim West Side Market gewohnt, nicht einmal drei Meilen entfernt. Ihre Wege hätten sich kreuzen können. Theresa glaubte nicht an Zufälle, aber … »Da ist noch etwas.« Sie berichtete, dass sie noch mit Edward Corliss telefoniert hatte, kurz bevor sie den Killer auf dem Bahnsteig gesehen hatte. »Er sagte, er befinde sich auf seinem Boot.«
»Wie klang er?«
»Ganz sicher nicht, als würde er auf einem Bahnsteig kauern und gleichzeitig mit einem Handy, einer Leiche und einem Kleiderbündel jonglieren.«
»Ich kann mir sowieso keinen Mann in seinem Alter dabei vorstellen, wie er von einem Zug springt, noch weniger mit einer Leiche unter dem Arm.«
»Pass auf, wen du hier alt nennst. Wir müssen den Tatort übrigens gesperrt lassen.« Sie hatte noch nie viel Sinn darin gesehen, einen Tatort im Dunkeln abzusuchen. Selbst die hellsten Halogenlampen konnten das Tageslicht nicht ersetzen, und die tiefen Schatten, die sie erzeugten, richteten oft mehr Schaden an.
»Natürlich. Aber jetzt fahr heim, schlaf etwas. Wir werden morgen weitermachen.«
»Ja.«
»Ach so, und …«, er legte ihr den Arm um die Schultern und gab ihr einen Kuss auf die Schläfe, »… alles Gute zum Geburtstag.«
38
Freitag, 10. September
Theresa fuhr nach Hause, eigentlich nur um zu duschen, trockene Sachen anzuziehen und sich mit allem Koffeinhaltigen, was die Küche hergab, zu bewaffnen, um dann sofort ins Labor zu fahren. Als sie in ihre Einfahrt fuhr, ihr Magen lautstark knurrend, bedauerte sie, nicht wenigstens ein Stück ihres Geburtstagskuchens mitgenommen zu haben. Das wäre jetzt genau das Richtige gewesen und hätte ihr vielleicht die nötige Energie gegeben, um sich mit demjenigen auseinanderzusetzen, der in ihrer Abwesenheit in ihr Haus eingedrungen war.
Die Garagentür stand offen, und Licht schien unter der schlecht schließenden Verbindungstür ins Haus hindurch. Die musste sie wirklich endlich reparieren lassen. Und sie in Zukunft vielleicht sogar abschließen.
Nicht dass sie einen Einbrecher oder einen Mörder erwartet hätte. Solche Typen fuhren wohl kaum ein auffälliges Sportauto oder parkten vor dem Haus, das das Ziel ihrer Aktivitäten war. Vielleicht – ihr Herz machte einen Sprung – hatte Rachael eine Mitfahrgelegenheit aus dem College gehabt. Wen allerdings kannte sie, der sich so ein Auto hätte leisten können, und sicherlich hätte sie so eine weite Fahrt nicht mit jemandem unternommen, den sie gerade erst kennengelernt hatte. Außer es war ein Mädchen, eine Mitstudentin, die sich das Auto ihrer Eltern geborgt hatte …
Theresa drehte am Türknauf und betrat die Küche.
Chris Cavanaugh, der Starunterhändler der Polizei, saß an ihrem Küchentisch, vor sich eine Flasche in einem Edelstahlkühler mit Eiswürfeln sowie verschiedene geöffnete Fallakten, die nicht ihr gehörten. Bei ihrem Eintreten blickte er von seinen Notizen auf. Offensichtlich hatte er Papierkram erledigt, während er auf sie gewartet hatte.
Ihr Wachhund Harry lag zu Füßen des Einbrechers und öffnete träge ein Auge. Die junge und normalerweise kontaktscheue Katze kauerte auf dem Bücherregal hinter Chris, als ob sie über seine Schulter hinweg
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