Flammenbraut
sucht nach dem Körper dieses Kerls, und zwei Normalbürger stolpern darüber.«
Sie erreichten die Talsenke. Alles erinnerte James an die ersten zwei Opfer, die Gruppen von Cops, die herumstanden und zusahen, wie andere Cops das Gras nach Hinweisen absuchten, ein Captain, der seine Zigarre rauchte, als ob er sie bestrafen wollte. Die Menge um das tote, nackte Fleisch auf dem Boden. Das warnende Rattern eines Zuges, ihm fernzubleiben. Alles war gleich, bis auf die Luft, die eher die Schwüle des Sommers mit sich brachte als die kühle Frische des Frühherbstes.
Sie näherten sich der Leiche und ihren Bewachern.
Der junge Mann lag enthauptet auf der Seite unter den Zweigen eines Strauches, als ob dies den Körper genug mit seiner Umgebung verschmelzen lassen würde. Aber wenn der Mörder die Leiche verstecken wollte, warum hatte er sie dann nicht tiefer im Gebüsch abgelegt oder sie in den Fluss geworfen? Warum hatte er sie quasi auf der Türschwelle der Eisenbahnpolizei der Nickel-Plate-Linie deponiert? Und wenn er der Polizei die lange Nase zeigen wollte, warum hatte er dann nicht mehr Aufhebens darum gemacht?
Zum ersten Mal – und diese Erkenntnis erschreckte James – fragte er sich, ob der Mörder wahnsinnig war. Natürlich musste jeder, der solche Verbrechen beging, es sein, sagte ihm sein Verstand, doch James hatte im Krieg einige Männer getroffen, die gute Beispiele für die verschiedenen Nuancen des Wahnsinns waren. Sie hatten keine Anzeichen für Unausgeglichenheit oder Kriegsneurosen zu erkennen gegeben und konnten sich normal unterhalten, funktionieren und Befehlen gehorchen wie jeder andere Soldat auch. Nur ihre Augen verrieten sie, das leichte Lächeln, das um ihre Lippen spielte, wenn sie ein Bajonett öfter als nötig in einen anderen Mann stießen. Sie genossen das Töten.
Walter und die meisten Männer hätten das dem Bösen zugeschrieben, doch daran glaubte James nicht. Es hatte einen Beigeschmack von Übernatürlichkeit und war in seinen Augen eine zu einfache Entschuldigung für erwachsene Männer, die eigentlich Verantwortung für ihre Taten übernehmen sollten.
Aber wenn sie nicht böse oder wahnsinnig waren, was waren sie dann?
Gefährlich, dachte er. Mehr muss ich nicht wissen.
Er und Walter schlichen sich an den gaffenden Polizisten vorbei. Ein wenig außer Atem meinte Walter: »Wenigstens hat er dem hier die Eier gelassen.«
»Schau dir die Tätowierungen an.« Das Opfer hatte farbige Zeichnungen an Armen und Beinen – ein Herz, Anker, Flaggen, die Namen Helen und Paul an einem Unterarm, einen Schmetterling an der linken Schulter.
»Ein Seemann«, verkündete Walter. »Wer sonst hätte so was? Da sind zwei Anker zu sehen – aber was für ein Mann lässt sich einen Schmetterling stechen? Perverser.«
»Das kann man nicht so einfach sagen«, sagte ein Officer in Zivil, der zu Füßen der Leiche kauerte und mit einer Pinzette Erdklümpchen von der Haut aufsammelte. James erkannte ihn als den Angehörigen der Bertillon-Einheit, der das Foto von der Jacke für ihn angefertigt hatte. »Es hätte auch sein Spitzname für sein Mädchen sein können oder etwas in der Art.«
»Nur eine Hure hätte einen solchen Spitznamen.«
»Er war ein Seemann. Was für Frauen sollte er sonst gekannt haben? Sie ist wahrscheinlich irgendein Inselflittchen, das in einem Grasrock herumhüpft.« Der Mann hielt einen Moment inne und stellte sich wohl ein tropisches Paradies vor mit Sandstrand und Kokosnüssen und ohne Leichen. »Heute ist mein freier Tag. Ich hatte Tickets für die Indians im neuen Stadion. Man sagt, es sei wirklich toll geworden.«
Walter schnaubte mitleidlos. »Und ich sage immer noch, dass dieser Kerl ein Perverser ist. Wie hätte er sonst mit unserem Mad Butcher zusammentreffen sollen?«
Ein Polizist in Uniform, den James nicht erkannte, rief nach Walter, der sich daraufhin abwandte. James achtete nicht weiter darauf, sondern fragte stattdessen den Bertillon-Mitarbeiter: »Haben Sie etwas gefunden?«
»Gras, Unkraut. Ein paar Hundehaare. Zwei schwarze Haare, die dem Täter gehören könnten, aber auch dem Opfer. Wir müssen uns das noch genauer anschauen.«
»Keine weiteren Verletzungen? Außer … der da …«
»Außer der Enthauptung, meinen Sie? Nein, ansonsten ist er unverletzt. Der Kopf wurde offensichtlich mit nur wenigen Hieben abgetrennt. Dieser Wahnsinnige weiß, was er tut.«
»Wir wissen noch nicht, wer er ist?«
»Nein. Irgendwie seltsam. Ein gut aussehender junger
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