Flammenbraut
Schilde führte. Als wir noch zusammen gearbeitet haben, wusste ich immer, wann sie mich um Zigaretten oder Geld anschnorren wollte oder ich sie bei einer langen Mittagspause decken sollte. Sie hatte dann dieses Glitzern in den Augen und hat sich plötzlich unheimlich für einen interessiert. Und als sie letzte Woche aufgetaucht ist, wollte ich gern glauben, dass sie erwachsen geworden ist, ihr Leben im Griff hat und dass ich dabei vielleicht sogar ein wenig geholfen hatte. Aber so war es nicht.«
»Warum denken Sie das?«
»Ach, es war wie immer. Sie hat munter gequatscht, ein Riesenaufhebens um ein paar Bilder der Kinder gemacht und mich dann um einen Gefallen gebeten. Sie wollte Baupläne von einem Gebäude sehen. Das ist wirklich keine große Sache – es sind ja keine Staatsgeheimnisse, und sie hat immerhin mal bei uns gearbeitet …«
Frank nickte ermutigend. Er wusste nicht, ob Sonia gegen Regeln verstoßen hatte, aber es war ihm auch egal.
»Das Problem war, dass sie von 1935 waren.«
»4950 Pullman Street?«
Zum ersten Mal wirkte Sonia Kettle überrascht. »Ja. Woher wissen Sie das?«
»Lange Geschichte. Hat sie gesagt, warum?«
»Sie sagte, es hätte ihrem Großvater gehört und dass man es abreißen wolle, und sie wollte sehen, wie es ausgesehen hat. Für mich ergab das alles nicht viel Sinn, aber Kim dachte manchmal sehr verquer. Sie konnte von einem Film oder einem Auto oder einer Hunderasse so begeistert sein, dass sie ein paar Tage lang von nichts anderem redete, bis sie das Interesse wieder verlor.«
»Sie haben die Pläne also nicht geholt?«
»Doch, das habe ich. Ich dachte, sie würde mich so lange nerven, bis sie ihren Willen bekam – die gute alte Kim. Sie war zwar von den Drogen weg, aber sonst hatte sich nichts geändert.« Sie zuckte knapp mit den Schultern. »Vielleicht bin ich jetzt unfair. Wir sind jedenfalls ins Kellerlager gegangen und haben uns durch die Schubladen gewühlt, bis ich gefunden hatte, was sie wollte. Habe mir mit dem Staub eine neue Bluse versaut.«
»Die Baupläne?«, fragte Frank, als das Baby im Wohnzimmer wieder zu weinen anfing. »Wir hatten sie angefordert, und man hat uns gesagt, dass es eine Woche dauern würde, weil man sie erst aus einem Außenlager herbringen müsste oder so etwas in der Art.«
Die junge Frau nickte. »Anfragen werden in der Reihenfolge ihres Eintreffens bearbeitet. Außer wenn der Bürgermeister anruft und sagt, es handelt sich um einen Notfall. Ansonsten wird alles streng der Reihe nach abgearbeitet.«
Frank wünschte, er hätte das gewusst. Aber die aktuellen Todesfälle hatten für jeden größere Priorität gehabt als James Miller, mit Ausnahme von Theresa. »Sie haben also …«
»Ich habe ihr einen Gefallen getan, ja. Ist es nicht in jedem Job so?«, fragte sie mit defensivem Unterton. »Bringen Sie nicht auch mal für Leute die Strafzettel in Ordnung?«
»Ich versuche es«, sagte Frank, um sie zu beruhigen. »Manchmal. Hat Kim irgendetwas Bestimmtes an den Plänen interessiert? Oder wollte sie nur den Grundriss sehen?«
»Ich weiß es nicht. Sie wirkte sehr interessiert, auf jeden Fall, aber ich kann Ihnen nicht sagen, warum.«
»Haben Sie eine Kopie für sie angefertigt?«
»Nein! Dafür braucht man den Übergrößenkopierer, und das wäre dem Chef auf keinen Fall recht gewesen. Kim hat auch nicht darum gebeten. Sie hat sich nur ein paar Notizen gemacht wie Datum und Name des Architekten.« Das Baby weinte erneut leise vor sich hin.
»Noch etwas?«
»Ja, aber ich habe nicht aufgepasst. Ich wollte sie nur noch loswerden und an die Arbeit zurückgehen, bevor mein Chef nach mir suchte.«
»Mommy! Bethie hat gespuckt!«
»Entschuldigen Sie mich bitte.« Sonia eilte ins Wohnzimmer.
Sanchez beugte sich über die Tischplatte. »Was denkst du? Kim wusste, dass ihr Großvater da in dem Gebäude lag …«
»Und sie hat sein Notizbuch.«
»… und sie sieht etwas auf den Bauplänen, das sie zu dem Mörder führt? Aber was?«
»Vielleicht ist es Corliss. Sie hat ihn mit der alten Geschichte konfrontiert, und er hat sie getötet.«
»Corliss ist der Einzige mit einer Verbindung zu dem Gebäude, von dem wir wissen, dass er noch lebt. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass sein Vater Millers Verdächtiger war. Wer weiß, was Miller in diesem Notizbuch aufgeschrieben hatte.«
Sonia kam zurück in die Küche und säuberte das Baby an der Spüle. Brent kam triumphierend zurück an den Tisch, offiziell von seinem Exil
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