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Flammenbraut

Flammenbraut

Titel: Flammenbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Black
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Wolkenkratzer, Häuser, zwischen denen die Züge fuhren, sich begegneten, sich wieder voneinander entfernten, an der Küste eines blauen … »Das ist Cleveland«, rief Theresa. »Sie haben Cleveland nachgebaut.«
    »Von Rocky River bis Shaker Heights.« Corliss beugte sich über eine Ecke der Platte, öffnete einen Verteilerkasten und legte diverse Schalter um. Kleine Glühbirnen leuchteten in den Fenstern der Bürogebäude auf, am Flughafen, an den Tankstellen. Züge erwachten schnaufend zum Leben.
    »Da sind sogar Schnellzüge.« Theresa beobachtete einen der Pendlerzüge, in denen sie über die Jahre so viele Stunden verbracht hatte, wie er neben einer Lokomotive dahinglitt. Beide im Verhältnis eins zu vierundsechzig nachgebaut.
    Selbst Jablonski wirkte beeindruckt. Er machte einige Aufnahmen und wechselte dann zum Camcorder, mit dem er das Stadtmodell filmte.
    Frank umrundete den Aufbau schweigend, als ob er erwartete, dass die Miniaturbewohner der Stadt Verbrechen begingen. Darüber musste er sich allerdings keine Sorgen machen, denn das Modell war zwar detailgetreu bis zu den Parkbänken, doch Menschen waren keine zu sehen. Theresa war nicht überrascht – für eine detailgetreue Nachbildung hätten sie ameisengroß sein müssen und unüberschaubar in ihrer Anzahl.
    »Hier ist die Gerichtsmedizin.« Theresa hätte Stunden damit verbringen können, die einzelnen Gebäude zu betrachten. »Wie lange haben Sie dafür gebraucht?«
    »Etwa ein Jahr. Aber ich werde wohl nie richtig fertig damit, ich bastele die ganze Zeit daran herum. Drei Tage habe ich diese Woche an der Schwenkbrücke gearbeitet, nachdem der Motor plötzlich den Geist aufgegeben hatte. Dann habe ich beschlossen, es Winter werden zu lassen – zumindest in Teilen der Stadt. Hier, ich zeige es Ihnen.«
    Er nahm einen mittelgroßen Plastikbehälter und ließ den Deckel aufschnappen. Bevor Theresa reagieren konnte, hatte er ihre Hand genommen und in der weißen Masse versenkt. »Streichen Sie es so über die Bäume, dass es sie überzieht, aber nicht vollkommen bedeckt.«
    Es war lange her, dass ein Mann ihre Hand gehalten hatte. Die weiße Masse fühlte sich wie Hüttenkäse an, nur trockener, die winzigen Plastikstücke rau, aber biegsam. Unter ihren Händen wurde es weihnachtlich in Cleveland.
    »Lassen Sie sie auch mal ineinanderfahren?«, fragte Jablonski, während er eine vorbeifahrende Lokomotive berührte.
    »Natürlich nicht«, entgegnete Corliss aufgebracht. »Und nicht anfassen!«
    »Entschuldigung.«
    »Ich könnte hier den ganzen Tag stehen.« Franks Stimme klang nicht überzeugend, wenn auch vielleicht nur für jemanden, der ihn von Geburt an kannte. »Aber wir müssen wirklich mehr über das Gebäude Ihres Vaters erfahren.«
    »Es ist hier.« Theresa deutete auf die Miniaturausgabe des Hauses. So sah es viel besser aus als in Wirklichkeit – ordentlich und noch voller Leben.
    Frank hob eine Augenbraue, um ihr zu signalisieren, dass sie alles andere als hilfreich war. »Könnten wir bitte die Fotos sehen?«
    »Natürlich. Sie müssen entschuldigen, ich bekomme nicht oft die Möglichkeit, das hier herzuzeigen. Mein Nachbar ist ein Fan davon, aber sonst …« Edward Corliss reichte Theresa ein Tuch für ihre Finger und schaltete der Stadt mit offenkundigem Bedauern den Strom ab. Sorgfältig deckte er sie wieder mit der Plastikhaube zu und führte seine Besucher in einen kleineren Raum an der Rückseite des Hauses. Bücherregale bedeckten die Wände, wo keine gerahmten Drucke und Zeichnungen von Zügen hingen. Es roch nach Staub und Pfeifentabak.
    »Sie sind leider nicht in ein Album geklebt, sondern liegen lose in einer Schachtel«, warnte sie Corliss, als er in einem der unteren Schränke wühlte. »Vater hatte nicht den gleichen Sinn für Ordnung wie ich. Oder meine Mutter.«
    »Wo ist Ihre Mutter?«, fragte Frank.
    »Sie ist gestorben. Vor etwa vierzig Jahren, vor meinem Vater. Mal sehen, was wir hier haben.« Er setzte sich an einen hölzernen Schreibtisch, für dessen Transport sicherlich sechs Bodybuilder nötig gewesen wären, und hob den Deckel von einer Schachtel, die einmal Grußkarten der Audubon Society enthalten hatte. Frank, Jablonski und Theresa blickten ihm über die Schulter. Theresa stand nahe genug, um einen Hauch von Old Spice wahrzunehmen. Sie hasste Old Spice, weil ihr erster Freund es immer benutzt hatte. Doch sie beschloss, dass das ihre Meinung von Edward Corliss nicht beeinflussen sollte.
    Nachdem er seine

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