Flammenbraut
Kunstmuseum eine Cocktailparty, die gleichzeitig ein Fundraising-Event ist. Kommen Sie doch auch.«
Flirtete dieser ältere Mann etwa mit ihr?
Natürlich klang einundsechzig gar nicht mehr so schlimm, jetzt, da ihr selbst der Geburtstag drohte, der sie offiziell alt machen würde. Zumal es sich bei Corliss um einen höflichen und interessanten Einundsechzigjährigen handelte, vielleicht sollte sie es sich also überlegen …
Dann aber dachte sie an ihren Verlobten, der seit fünfzehn Monaten tot war, und plötzlich erschien ihr alles wieder absurd. Sie, ihre Arbeit, eine vierundsiebzig Jahre alte Leiche.
»Sie alle sind herzlich eingeladen«, präzisierte Corliss.
»Der Zug ist wunderschön«, sagte Theresa und stellte ihn zurück auf das Regal. »Danke, dass Sie uns herumgeführt haben.«
»Jederzeit. Ich zeige meine Sammlung nur zu gern. Sehen Sie dieses Getriebe? Es stammt von einer original Union-Pacific-Dampflokomotive.«
»Wir müssen jetzt gehen«, unterbrach Frank das Gespräch.
»Mr. Corliss, hat Ihr Vater je von den Torso-Morden gesprochen?«, fragte Jablonski dennoch unbeirrt.
»Wovon bitte? Oh, die Toten im Fluss. So alt bin ich nun auch nicht, junger Mann. Das ereignete sich lange vor meiner Geburt.«
»Wir müssen wirklich gehen«, betonte Frank erneut.
Sowohl Gastgeber als auch Reporter wirkten enttäuscht, als alle sich in Richtung Haustür begaben; ihre Stimmen hallten leicht von der hohen Decke der Eingangshalle wider. »Kommen Sie gern noch einmal vorbei, wenn ich Ihnen sonst irgendwie helfen kann. Hier ist meine Karte, Detective, mit meiner Telefonnummer. Es war mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen«, erklärte Corliss.
»Danke«, erwiderte Frank.
Jablonski erkundigte sich, ob er am nächsten oder übernächsten Tag eventuell noch weitere Fragen stellen dürfte, was Corliss bejahte.
»Vielen Dank«, meinte Theresa. Als Antwort berührte er ihren Ellbogen, als sie über die Schwelle trat, auf den ersten Blick die zuvorkommende Geste eines Gentlemans, wäre da nicht die Tatsache gewesen, dass sein Daumen dabei ihren Unterarm streichelte.
Als Theresa sich auf den Beifahrersitz setzte, merkte sie, dass Corliss sie immer noch von der Eingangstür aus beobachtete. »Das war ja höchst interessant.«
Frank murmelte etwas Unverständliches.
»Hat dich jemand angerufen?«
»Ich setze Sie dann bei Ihrem Auto ab, Mr. Jablonski«, erklärte Frank statt einer Antwort und lenkte den Wagen auf die Straße.
»Ihr Chef hat mir versichert, ich könnte den ganzen Nachmittag mit Ihnen beiden verbringen, die Ermittlungen mitverfolgen …«
»Nur was den kalten Fall betrifft. Bei den aktuellen Ermittlungen können wir Sie nicht gebrauchen.«
Der grimmige Ton in Franks Stimme sagte Theresa, dass ihr restlicher Tag soeben verplant worden war.
Jablonski schoss nach vorn wie ein Vorstehhund, der etwas witterte. »Wollen Sie damit sagen, dass es einen neuen Mord gegeben hat?«
»Kein Kommentar.«
»Ach, kommen Sie schon!«, protestierte der Reporter. Theresa wurde bewusst, dass da echter Frust unter der ansonsten so beherrschten Oberfläche hochbrodelte.
»Nein.«
Jablonski ließ sich auf dem Rücksitz zurückfallen. »Das werden wir schon noch sehen.«
9
Montag, 6. September
Die Cleveland Air Show war ursprünglich ein nationales Wettfliegen gewesen, eine Idee, die Joseph Pulitzer von Europa nach Amerika gebracht hatte, der Mann, nach dem der renommierte Preis benannt wurde. 1920 wie heute war der Zweck einer solchen Vorführung, das Interesse an der Luftfahrt zu wecken. Die Veranstaltungsreihe machte in verschiedenen Städten Station, bis Cleveland 1929 die größte und bis dahin einzige finanziell lohnende Vorstellung auf die Beine stellte. Seither fand die Show ausschließlich in Cleveland statt.
Vor allem in den Anfangsjahren konnte es durchaus mal gefährlich werden. Manchmal ging ein Pilot verloren. Doch als 1949 ein Teilnehmer die Gewalt über sein Flugzeug verlor und in ein Haus in Berea raste, wobei eine junge Mutter und ihr kleiner Sohn getötet wurden, wurde die Flugschau für die nächsten fünfzehn Jahre eingestellt.
Heutzutage werden die kommerziellen Flüge und die Lufttaxidienste am Labor-Day-Wochenende am Burke-LakefrontFlughafen eingestellt, wenn die Einwohner sich auf den Tribünen drängen, um Piloten, Flügelakrobaten und Fallschirmspringer zu bewundern, die dem Gesetz der Schwerkraft trotzen. Der Großteil von ihnen würde nichts von der Tragödie des Jahres merken,
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