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Flammenbraut

Flammenbraut

Titel: Flammenbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Black
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Cleveland gewesen, dem so etwas in letzter Zeit zugestoßen wäre. Nein, James Millers Tod war bei Weitem mysteriöser und verstörender. Was hatte ein Polizistendasein für einen Sinn, wenn man selbst nicht sicher vor einem derartigen Tod war? Und warum musste es ausgerechnet der Torso-Mörder sein, der Theresa nicht mehr losließ und sie über ihren Großvater sprechen ließ? Was für einem Scherzkeks von schlecht gelauntem Gott hatte Frank in letzter Zeit wohl missfallen?
    Die nicht besonders fest im Rahmen verankerte Tür erzitterte, als Sanchez klopfte, und eine weibliche Stimme antwortete aus der Wohnung. Als Frank rief, dass sie wegen ihrer Tochter gekommen seien, hörten sie schlurfende Geräusche, und der Türspion verdunkelte sich für einen Moment. Dann war das Klirren einer Sicherheitskette zu hören, und die Tür öffnete sich. Mrs. Hammond war bei diesen Nachbarn und wegen ihrer Tochter gelegentliche Polizeibesuche sicher gewöhnt.
    Für Kims magere, kleine Statur waren nicht nur die Drogen verantwortlich gewesen; Lily Hammond war ebenso klein, und ein starker Windstoß hätte sie wohl aus dem Gleichgewicht bringen können. Doch ihre Augen und ihre Stimme waren ruhig und nüchtern. »Was hat sie denn jetzt schon wieder angestellt? Und erwarten Sie nicht, dass ich etwas darüber weiß. Ich habe zwei Jobs, ich bin sowieso fast nie zu Hause.«
    Frank schloss die Tür hinter sich. Der Knauf funktionierte nicht mehr, lediglich die Kette hielt sie an ihrem Platz. Er schloss aus den Furchen im Teppich, dass Mrs. Hammond nachts wohl eine niedrige Kommode davorschob. »Es tut uns sehr leid, Mrs. Hammond.«
    Das einzige Fenster des Zimmers war mit einer dünnen Decke verhängt, damit niemand in die Wohnung blicken konnte oder man vielleicht auch die anderen Bewohner der Siedlung nicht sehen musste. Mrs. Hammond verschränkte in dem Dämmerlicht die Arme vor ihrem abgetragenen, aber sauberen orangefarbenen Sweatshirt, auf dem ein Halloween-Kürbis und zwei schwarze Katzen zu sehen waren. »Das ist ja mal was anderes. Normalerweise werden mir gleich die möglichen Folgen für die Missachtung des Gerichts vorgehalten, wenn ich nicht sofort damit herausrücke …« Dann wurde ihr die Bedeutung von Franks Worten bewusst, und sie wurde bleich. »Ist sie tot?«
    Ein Verhörspezialist hätte vielleicht entgegnet: Warum denken Sie denn, dass sie tot ist?, und im Gegenzug alle möglichen Informationen erhalten. Doch Frank brachte es nicht über sich, so grausam zu sein. »Ja.«
    Die Frau sank auf ein fleckiges kariertes Sofa. Frank und Angela Sanchez setzten sich ihrerseits auf zwei alte Holzstühle aus der Essecke. Frank vermied Polstermöbel in fremden Wohnungen – darin konnten sich Dreck und Ungeziefer zu gut verstecken.
    Mrs. Hammond stellte sofort die richtigen Fragen – wann, wo, wie und wer? Frank konnte allerdings keine von ihnen beantworten, vor allem die letzte nicht. Nachdem Sanchez der Frau eine Tasse Tee aufgebrüht hatte, stellten sie ihr all die Fragen, die schon unzähligen anderen trauernden Müttern gestellt worden waren.
    Kim, ihr einziges Kind, wäre in wenigen Wochen dreiundzwanzig geworden. Seit ihrem letzten Gefängnisaufenthalt hatte sie sich von Drogen ferngehalten. Sie hatte keinen Freund, weder einen gewalttätigen noch sonst einen, soweit Lily Hammond wusste, aber Kim brachte auch nie jemanden mit nach Hause. Manchmal blieb sie tagelang verschwunden und erklärte bei ihrer Rückkehr, sie habe bei diesem und jenem auf der Couch geschlafen, weshalb ihre Abwesenheit ihre Mutter noch nicht beunruhigt hatte. Kim war arbeitslos, auch wenn sie sich kürzlich bei verschiedenen Kaufhäusern in der Stadt beworben hatte. Sie wollte wegen der attraktiven Mitarbeiterrabatte im Einzelhandel arbeiten. »Wahrscheinlich wäre es eher ein Fünf-Finger-Rabatt geworden«, gab ihre Mutter zu. »Ich habe meine Tochter geliebt, aber ich kannte sie auch gut. Sie dachte, weil sie es schwer hatte, stünde ihr etwas zu. Ich konnte sie nie davon überzeugen, dass sie es gar nicht so schwer hatte, dass es schlimmer sein könnte. Sehr viel schlimmer.«
    Frank fragte nicht, was schlimmer als Armut hätte sein können. So, wie Mrs. Hammond vor sich hinstarrte, hätte sie ihm wahrscheinlich eine ellenlange Liste aufzählen können. In der Nachbarwohnung erwachte ein Fernseher lautstark zum Leben und gesellte sich zu dem ständigen Hintergrundgeräusch diverser anderer Fernsehgeräte. Die Bewohner ließen sie auch dann

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