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Flammenbraut

Flammenbraut

Titel: Flammenbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Black
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auch wenn nur drei der zwölf oder mehr bekannten Opfer dort gefunden worden waren. Diese drei waren jedoch unbestritten die abstoßendsten Fälle gewesen. Eines der Opfer hatte man unter der riesigen East-Fifty-fifth-Street-Brücke zu ihrer Rechten gefunden und zwei an dieser Böschung hier, etwa – sie blickte nach links – zwölf Meter von ihrem Standort entfernt.
    Früher hatten viele Männer auf dieser Seite des Hügels geschlafen, als sie während der Depression mit den Güterzügen durchs Land fuhren. Ein warmer Luftzug berührte ihre Wange; vielleicht war dieses wilde Campen gar nicht so schlecht, wie es klang. Bis der Torso-Mörder auftauchte, auf der Suche nach seinem nächsten Opfer. An manchen Aspekten von Serienmorden hatte sich nicht viel verändert. Die Armen und die Ausgestoßenen – wie Kim Hammond – waren immer noch empfänglich für Geld, Drogen, Essen oder Freundschaft.
    In der Ferne brach ein Zweig, zu laut, als dass ein Waschbär oder eine monströse Ratte der Verursacher gewesen sein konnten. Schlief etwa tatsächlich jemand hier draußen, einer der heutigen Obdachlosen? Theresa trat an den Rand des Abhangs und versuchte um den üppigen Bewuchs herumzublicken. Die Geister der Opfer des Torso-Mörders erschreckten sie nicht, doch reale Feinde aus der Jetztzeit waren eine andere Sache.
    Einen Schritt den Hügel hinunter, dann zwei. Das Auto stand keine sechs Meter hinter ihr – wenn es jemand auf sie abgesehen haben sollte, würde sie es dorthin schaffen. Die Lichter des Bahnhofs East Fifty-fifth erstrahlten zu ihrer Rechten, jedoch in dreihundert Metern Entfernung, mit unzähligen Gleisen dazwischen. Noch ein Schritt.
    Sie setzte ihre Füße vorsichtig – nicht um leise zu sein, wie sie sich einredete, sondern weil auf dem unebenen Untergrund zu viele Gräser, kleine Büsche und Abfall den Weg behinderten. Schon hatte sie den Fuß des Abhangs erreicht, wo ein Pfad neben den Gleisen verlief. Jetzt konnte sie an den Bäumen, die entlang des Abhangs wuchsen, vorbeisehen. Im Westen war die Sonne vollkommen hinter der Stadt versunken und ließ sie im Stich. Ein Zug näherte sich ratternd von Osten und beleuchtete mit den Scheinwerfern die Gleise vor sich.
    Eine Gestalt, groß genug, um ein Mann zu sein, bewegte sich im Westen etwa zwanzig Meter zu ihrer Linken auf die Stadt zu. Theresa konnte ihn kaum erkennen, ein dunkler Umriss nur, und fragte sich, ob ihre Augen ihr einen Streich spielten. Doch die Bewegung wirkte vertraut. Das Auf und Ab, das Schieben mit einem Fuß – ja, jemand grub ein Loch in die Erde.
    Nicht so spannend, dass man unbedingt zusehen musste. Zeit zu gehen, Theresa, du solltest nicht hier im Dunkeln an den Gleisen herumstehen.
    Und doch beobachtete sie das Geschehen weiter und war sich mit jeder Sekunde sicherer, was sie da gerade sah. Noch schlimmer, sie entdeckte noch etwas anderes. In der Nähe des Gräbers war ein weiterer Umriss zu erkennen, ebenfalls groß genug für einen Mann, doch lag dieser leblos auf dem Boden. Vielleicht ein Freund, der darauf wartete, die Schaufel zu übernehmen, doch selbst ein kaum wahrnehmbarer Schatten konnte sich unmöglich so still verhalten.
    Und plötzlich wusste Theresa genau, was sie da beobachtete.
    Sie bewegte sich nicht, zog ihr Mobiltelefon hervor und sprach Franks Namen hinein. Der grabende Mann würde sie nicht hören, der Abstand war zu groß, außerdem rollte gerade lautstark ein Zug von Osten heran, näher an Theresa vorbei, als sie erwartet hatte. Er konnte ihr nicht gefährlich werden, doch der Boden bebte unter ihren Füßen, und das ohrenbetäubende Pfeifen ging ihr durch Mark und Bein. Sie drückte das Handy fest ans Ohr.
    »Hallo?«, meldete sich Frank. »Wer zur Hölle ist dran?«
    Sie schrie seinen Namen und hoffte, er würde sie über den Lärm des Zuges hinweg hören können. »Bleib dran, ich stehe direkt neben den Schienen.«
    »Dann ruf mich zurück!«, rief Frank als Antwort. »Wir befragen gerade Kim Hammonds Mutter.«
    »Das Haus 4950 Pullman«, rief sie zurück. »Der Abhang westlich davon. Schick einen Streifenwagen!«
    Eine ganze Armee hätte ungehört zu Theresa aufrücken können, so laut war der Zug. Sie drehte sich panisch einmal um die eigene Achse, sah jedoch nur Gräser und hörte Frank sagen: »Was? Tess, du redest sinnloses Zeug.«
    »Ich glaube, ich beobachte gerade, wie jemand eine Leiche vergräbt.«
    Frank schien sich mehr Sorgen darum zu machen, dass sie im Dunkeln an diesem Ort herumlief,

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