Flammenbraut
vollzählig. Der Täter hat zwar Körperteile entfernt, aber nichts behalten. Weiß man schon, wer diese beiden Unglücksraben sind?«
»Tatsächlich ja.« Theresa folgte der Pathologin zu dem Schneidbrett neben dem Spülbecken, um ihr bei der Sektion des Herzens zuzusehen. Sie erwartete sich keine neuen Erkenntnisse davon, doch sie interessierte sich generell für Kardiologie. »Beide sind identifiziert. Der Mann hier heißt Levon Forrest, ist zweiundfünfzig, verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Wohnt auf der East 119th, nimmt die Rote Linie von der Station Euclid bis nach Brookpark und läuft dann zu seiner Arbeit im Ford-Werk. Trotz einer bösen Erkältung hat er das Haus um sechs Uhr morgens verlassen. Doch er begann nicht wie sonst um sieben Uhr zu arbeiten, was derart ungewöhnlich für ihn war, dass sein Vorgesetzter bei seiner Frau angerufen hat, die wiederum die Polizei informierte, die sich allerdings wenig überraschend kaum für einen erwachsenen Mann interessierte, der gerade mal vier Stunden verschwunden war. Die Identifizierung ist noch nicht hundertprozentig, aber er entspricht exakt der Personenbeschreibung, und die Frau hat den Kopf identifiziert. Seinen Kopf.«
Die Pathologin öffnete Levon Forrests Herz mit schnellen, sicheren Schnitten und maß dann die Dicke der Kammerwände. Sie schienen normal, die linke Herzkammer war natürlich dicker als die anderen drei, da sie das Blut durch den gesamten Körper pumpen musste. Die Klappen wiesen keine Anomalien auf. Die winzigen Koronararterien, die die Außenseite des faustgroßen Organs überzogen, waren leicht versteift und verkalkt, doch noch im normalen Rahmen für einen Mann seines Alters. »Ich hoffe, sein Hals ist auf dem Foto nicht zu sehen.«
»Nein, natürlich nicht. Frank wollte die Enthauptung erst einmal verschweigen, weil sie wohl sicher nicht im selben Atemzug wie ›Sie sind Witwe‹ die unappetitlichen Details hören wollte. Arme Frau. Immerhin können wir so den Zeitraum seiner Entführung auf eine Stunde eingrenzen. Die Polizei befragt jeden auf der Strecke, den sie auftreiben können.«
Christine schnitt ein Stück aus dem Herzen, tauchte das Skalpell in ein kleines Glas mit Formalin und schwang es hin und her, bis sich das Gewebe ablöste. Dann kehrte sie zur Leiche zurück. »Hat er eine kriminelle Vergangenheit?«
»Nein. Ein bisschen Ärger als Jugendlicher, aber als Erwachsener war er sauber. Ganz offensichtlich ein gesetzestreuer, liebender Ehemann und Vater und überpünktlicher Angestellter.«
Die Pathologin widmete sich nun den Lungen. »Was ist mit dem anderen?«
Theresa streckte den Rücken durch, wobei sie sich der Tatsache nicht bewusst war, dass ihr das die Aufmerksamkeit jedes männlichen Wesens im Raum einbrachte. Sonst hätte sie gewiss lieber die Verspannung ertragen. »Auch für ihn gibt es eine vorläufige Identifizierung, allerdings aus vollkommen anderen Gründen. Niemand hat ihn als vermisst gemeldet, aber er hatte eine ellenlange Polizeiakte.«
Christine fuhr mit den Händen über die Lungen und tastete nach Stellen, an denen sie möglicherweise in den Brustkorb hineingewachsen waren. Frühere Operationen oder Tumore hätten so etwas verursachen können, doch Levon Forrests Lungen waren weich und nicht verwachsen, sodass Christine die Bronchiolen durchschnitt und die Lungenflügel wog. Sie waren nicht ganz jungfräulich rosa, sahen aber insgesamt nicht schlecht aus. Christine schnitt drei dünne Gewebescheiben ab und legte auch sie in Formalin ein. »Und, wer ist er?«
Theresa stand zwischen den beiden Obduktionstischen, mit dem Rücken zum Spülbecken, sodass sie mit Christine und dem Pathologen sprechen konnte, der sich auf die Obduktion des Mannes vorbereitete, über den die beiden Frauen gerade sprachen. »Sein Name ist Richard Dunlop, das komplette Gegenteil von Levon Forrest. Andere Hautfarbe, viel jünger – erst dreiundzwanzig –, und wenn er je einen Job hatte, dann unter einem anderen Namen. Er lebte auf der West Side, mehr oder weniger. Seine letzte bekannte Adresse war bei einem Freund in der Wade Avenue, einer Nebenstraße der Twenty-fifth. Laut Frank und Angela weiß keiner, mit wem er in letzter Zeit unterwegs war, oder es will niemand sagen.«
»Der kleine Richard hat also keine bekannten Einkommensquellen.« Christine öffnete Forrests halb gefüllten Magen und gab den Inhalt in einen Plastikbehälter. Routinemäßig würde er auf Drogen getestet werden, und Theresa würde
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