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Flammenbraut

Flammenbraut

Titel: Flammenbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Black
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Waggons griffen Theresas Nerven nicht mehr so stark an, seit sie Teil des Zuges geworden war. Der Wind trug Öl- und Stahldämpfe an ihr vorüber. »Das macht Spaß.«
    »Bereit zum Absprung?«
    Theresa blickte nach unten. Der Boden schien sich jetzt, da sie bald darauf landen sollte, schneller zu bewegen und zu den Seiten hin abzufallen. Sie brauchte einen ebeneren Untergrund.
    »Die Zugführer mögen es auch heute nicht, wenn man das macht«, erklärte Corliss.
    Theresa ließ die Griffe los und sprang, konzentrierte sich ganz auf ihre Füße und den Schotter unter ihnen, kam sicher auf und zog die Arme an, anstatt sie instinktiv auf der Suche nach Gleichgewicht auszustrecken, was aber keine gute Idee war, wenn neben einem ein großes Stahlmonster mit riesigen Rädern fuhr, von denen man sich wegrollen sollte …
    Corliss packte sie, zwei kräftige Hände an ihrer Taille, und sie griff nach seinen Ärmeln und taumelte wenig elegant zur Seite. »Das war toll.«
    »Sehen Sie.« Er nahm seine Hände erst weg, als sie wieder sicher stand, und führte sie ein paar Schritte vom Zug weg. »Sie haben es geschafft.«
    Sie folgten dem Zug Richtung Bahnhof. »Aber ich denke mir, dass es viel schwieriger ist, in die Waggons hinein- und wieder herauszuklettern, vor allem bei höheren Geschwindigkeiten.«
    »Oh ja. Es konnte ziemlich gefährlich sein, aber zumindest für die Kinder lag darin gerade der Reiz. Für alle anderen war es einfach ein akzeptables Risiko.«
    »Danke, dass ich es versuchen durfte.«
    »Geben Sie mir Bescheid, Miss MacLean, wenn Sie noch mal auf einen Güterwaggon aufspringen wollen.«
    Er führte sie zu einem kleinen roten Gebäude. »Das ist das alte West-Third-Weichenhaus – und heute der Hauptsitz der American Railroad History Preservation Society.«
    Das Innere war kürzlich gestrichen und zu einem Museum umfunktioniert worden. Fotografien und Lithografien hingen an den Wänden zwischen den Fenstern; die Bilder zeigten Eisenbahnwaggons aus Cleveland vom späten 19. Jahrhundert bis heute, wie anhand gravierter Plaketten zu erkennen war. Man hatte große Teile von Zugmaschinen – einen Zylinder, einen Druckmesser – auf Sockeln auf dem Boden platziert. Theresa blieb vor einer Federzeichnung einer Lok stehen und bewunderte die sorgfältig ausgeführten Details.
    Corliss stellte sich neben sie. »Das ist mein Lieblingsbild. Es ist eine Hudson J Class, eine der besten Lokomotiven, die je gebaut wurde. Sie wurden in den Zwanzigerjahren entwickelt, und der Großteil von ihnen wurde hier in Lima, Ohio gebaut. Die Modellstadt in meinem Haus, Sie erinnern sich? Dort fahren nur Hudsons.«
    Ein Mann erschien im Flur zu ihrer Linken, und Corliss fuhr mit leicht erhobener Stimme fort: »Und hier ist der Mann, der das Bild gemalt hat, unser örtlicher Künstler, William Van Horn.«
    Theresa bot dem hageren Mann mit dem struppigen Schnurrbart die Hand. Er schüttelte sie, kräftige Muskeln waren unter der dünnen Haut spürbar. »Es ist wunderschön.«
    »Danke. Ich schätze, es ist tatsächlich eines meiner besseren Werke. Möchten Sie Mitglied unserer Society werden?«
    »Äh, eigentlich nicht.«
    »Ich bitte um Entschuldigung?«
    »Miss MacLean braucht einen Schnellkurs in Sachen Eisenbahn«, erklärte Corliss, wieder mit erhobener Stimme.
    Van Horn warf ihr ein schmallippiges Lächeln zu. »Dann würde ich Ihnen gern helfen. Ich bin seit elf Jahren Präsident der Sektion Cleveland und werde das auch bis zu meinem Ruhestand bleiben, wenn es nicht zu einer sehr unwahrscheinlichen Niederlage bei den bevorstehenden Wahlen gegen den Vizepräsidenten hier kommt.« Er wedelte abschätzig mit der Hand in Corliss’ Richtung. »Sie werden in den ganzen Vereinigten Staaten niemanden finden, der mehr über die Geschichte der Eisenbahn weiß als ich. Wie kann ich Ihnen helfen?«
    Theresa lächelte dieses leise, feine Lächeln, von dem ihre Mutter sagte, dass es sie wie die Heilige aussehen ließ, nach der sie benannt war. Dann hakte sie sich bei ihrem Begleiter unter und erklärte: »Danke, aber Edward kümmert sich hervorragend um mich.«
    Der Mann wandte seine Aufmerksamkeit Corliss zu, als ob er sich das nicht erklären könne. Theresa und Corliss überließen ihn seinen Grübeleien und gingen auf die hinteren Räume zu. Ihr Begleiter schien fast zu schweben und geleitete sie voller Elan in einen Raum voller Bücher.
    Die hölzernen Dielen gaben keinen Laut von sich. Durch das bleigefasste Fenster fiel die

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