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Flammenbraut

Flammenbraut

Titel: Flammenbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Black
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griff, ganz offensichtlich, um sie darauf aufmerksam zu machen, dass noch fünfzehn Minuten bis Feierabend ausstanden. »Sie gehen heute früher?«
    »Nicht direkt.«

24
    Donnerstag, 9. September
    Das angenehme Dröhnen der Züge in einer gewissen Entfernung wurde zu einem ohrenbetäubenden, markerschütternden Rattern, sobald sie näher kamen. Und wenn sie auch noch das Signalhorn betätigten, kostete einen das fünf Jahre des Lebens, mindestens. Natürlich hatte Theresa diese Lektion schon in der Nacht zuvor gelernt, doch seltsamerweise war das Geräusch bei Tageslicht nicht weniger entsetzlich.
    Doch sie liebte Züge trotzdem.
    »Ich kann gar nicht anders«, erklärte sie Edward Corliss, »als eine Sache zu bewundern, deren Äußeres sich seit – wie lange gibt es die Eisenbahn schon? Zweihundert Jahre? – kaum geändert hat.«
    Sie saßen auf einer Polyurethanbank, die einer alten hölzernen nachempfunden war, neben den Schienen bei der West Third Street, nur eine Meile vom Jackass Hill entfernt, doch auf der anderen Seite des Flusses. Es war kalt geworden, und der Wind am Fluss kühlte ihre Haut schneller aus, als die Sonne sie wärmen konnte. Theresa kuschelte sich enger in ihre Wolljacke und fuhr fort: »Aber das ist wahrscheinlich lächerlich. Ich weiß eigentlich gar nichts über Züge.«
    »Nein, nein, ich stimme Ihnen vollkommen zu«, versicherte ihr Corliss. »Das Antriebssystem hat sich im Laufe der Zeit immer wieder mal geändert, von Holz zu Kohle zu Diesel, in manchen Fällen auch zu Strom. Doch die Struktur der Waggons und der Schienen ist immer noch wie damals, als die Menschen ihre Pferde noch vor dem Kurzwarenladen anbanden.«
    Der Zug vor ihnen kam endgültig zum Stehen, um gleich darauf umzudrehen, was erneut eine ganze Kette ohrenbetäubender Geräusche produzierte, ein Klirren und Kreischen, als die Kupplungen zwischen den Waggons aneinanderrieben und -stießen. Theresa hielt sich die Ohren zu. Sie hätte schwören können, dass die Erschütterungen an jeder Ader in ihrem Körper zerrten, als wären diese zu stark gespannte Gitarrensaiten.
    Dann spürte sie Edwards Hand auf ihrem erhobenen Ellbogen. »Möchten Sie ein wenig an den Gleisen entlanglaufen?«, rief er über den Lärm hinweg.
    Sie nickte, auch wenn sie nicht wusste, ob sie es auch wirklich wollte.
    Die Schienen in der Nähe des Bahnhofs waren in gutem Zustand, mit frischem Schotter in den Zwischenräumen. Die Steine knirschten beim Laufen unter ihren Füßen. Die Schienen hätten auch schon seit hundert Jahren hier liegen können, die Kanten waren gerundet und weich vom Gewicht der Züge. Es roch nach Diesel und Fisch.
    Sechs Schienenstränge verliefen eng nebeneinander in einem Abstand von jeweils nur etwa drei Metern. Ein kurzer Zug rumpelte über das äußerste Gleis, doch immer noch nahe genug, um die Erde zum Beben zu bringen. Theresa sah sich immer wieder um, voller Furcht, dass sie bei dem Lärm einen sich nähernden Zug überhören könnte. Hatte Irene Schaffer nicht gesagt, dass sie durch das Elefantengehege in den Zoo eingestiegen war? Das musste ein ähnliches Gefühl gewesen sein, sich durch eine Horde zahmer, aber dennoch gefährlicher Tiere zu schleichen.
    Corliss deutete auf einen Abschnitt, wo sich ein Gleis verzweigte und ein in die Station einfahrender Zug entweder auf seinem ursprünglichen Gleis weiterfahren oder abbiegen konnte. Die Schienen formten an diesem Punkt ein abfallendes x. »Diese Weichenzungen – sehen Sie die Schiene, auf der die gelbe Grasmücke sitzt? – sind beweglich, sodass der Zug auf die linke oder die rechte Spur fahren kann. Der Spurkranz des Rades fährt auf den innenliegenden Strängen. So bleibt der Zug in der Spur.«
    Theresa hätte irgendein großes Gerät erwartet, das die Schienen bewegte, doch auf dem Boden neben den Gleisen war nur ein gedrungener Motor zu sehen, nicht größer als ein Mülleimer. Ein sechseckiges, rotes Schild ragte oben heraus, um die Position zu kennzeichnen. »Ich schätze mal, heutzutage muss niemand mehr hier stehen und die Weichen von Hand umlegen.«
    »Nein, das wird alles per Fernsteuerung erledigt. Die Weiche wird im Stellwerk bedient. Selbst früher, als alles noch von Hand eingestellt wurde, geschah das in der Station – die Weiche war über ein unterirdisches Kabel mit dem Hebel verbunden.«
    Ein weiterer Zug näherte sich am übernächsten Gleis. Die Waggons schienen sich bis in die Unendlichkeit zu erstrecken. Vielleicht sah der Zugführer die

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