Flammenbrut
besser wieder an die Arbeit.»
Sie hatten an sämtlichen Erdgeschossfenstern der Agentur Sicherheitsriegel anbringen lassen. Darüber hinaus war eine Alarmanlage
installiert worden, und Kate hatte den Briefschlitz in der Tür versiegeln und durch einen Briefkasten ersetzen lassen. Sie
hatte sich gleich auch einen für ihre Wohnung gekauft, da das Gitter an der neuen Tür bestenfalls symbolischen Schutz bot.
Die Aktenschränke waren mit feuerfesten Schaumgummiplatten ausgekleidet worden, und von den Computerdateien hatten sie Kopien
gezogen. Die Disketten wurden in Clives Wohnung aufbewahrt. Außerdem hatten sie zusätzliche Feuerlöscher gekauft, diesmal
pudergefüllte, weil sie gegen Benzinfeuer mehr auszurichten vermochten als Wasser – und Kate nahm auch einen mit nach Hause.
Sie hatten im Büro keine automatische Löschanlage installieren lassen, weil sie sich das nicht leisten konnten, aber Kate
fand, dass sie alles in ihren Kräften Stehende zu ihrem Schutz getan hatten. Allein die Tatsache, überhaupt etwas tun zu können,
statt sich nur passiv zurückzulehnen und abzuwarten, half ihr schon ein wenig. Trotzdem spürte Kate, dass sie sich jedes Mal,
wenn sie sich der Agentur näherte, auf verkohlte Fensterrahmen und versengte Ziegelsteine gefasst machte. Jedes Mal, wenn
sie die Agentur unversehrt vorfand, mischte sich in ihre Erleichterung ein wachsendes Gefühl der Hoffnung; vielleicht war
das Feuer in ihrer Wohnung doch ein Ende gewesen, kein Anfang. |314| Zum ersten Mal war Kate, wenn nicht von echtem Optimismus, so doch zumindest von dem Gefühl erfüllt, dass ihr Leben eines
Tages wieder in geregelte Bahnen zurückfinden würde.
Dieser Glaube wurde bestärkt, als sie eines Morgens auf dem Weg zur Arbeit feststellte, dass an dem abgebrannten Lagerhaus
die Abrissarbeiten begonnen hatten. Sie würde drei Kreuze schlagen, wenn es endlich verschwand, dachte sie, als die Abbruchkugel
Mauerreste und geschwärzte Balken zu einem Haufen Staub und Trümmer reduzierte. Sie bog in die Straße ein, in der die Agentur
lag, und entspannte sich ein wenig, als sie keine Feuerwehrwagen dort geparkt sah. Während sie in ihrer Tasche nach dem Schlüssel
suchte, registrierte sie beiläufig, dass mal wieder die Plakatkleber aktiv gewesen waren. Die Fülle verbretterter Gebäude
gab Banden, Clubs und politischen Randgruppen jede Menge Raum zur Selbstdarstellung. Die ständig wechselnden Plakate gehörten
so sehr zur Landschaft, dass Kate sie kaum noch bemerkte, und als sie jetzt die Schlüssel herauszog und aufblickte, war ihr
erster Gedanke, dass sie vor dem falschen Gebäude stehengeblieben war. Dann sah sie genauer hin, und der Schock fuhr ihr in
die Glieder.
Die Poster bedeckten die Mauern des Erdgeschosses zur Gänze, nicht nur das Büro, sondern auch die Gebäude rechts und links
davon. Sie waren offenbar in großer Eile geklebt worden, überlappten einander und liefen schräg über Fenster und Türen, sodass
die gesamte Hausfront eine wirre Collage eines einzigen wiederholten Bildes war.
Kate starrte es fassungslos an. Dann fuhr sie plötzlich herum und suchte Halt an einer Straßenlaterne, während sie sich krümmte
und übergab. Sie hörte Schritte auf sich zukommen und erkannte Clives Stimme.
|315| «Kate? Kate, alles in Ordnung?»
Sie antwortete nicht. Sie klammerte sich an den Laternenpfahl, bis der Brechkrampf vorüber war. Clive stand zögernd neben
ihr. Sie hörte «O mein Gott» und wusste, dass er die Plakate ebenfalls gesehen hatte.
Zitternd richtete sie sich auf. Als Clive sich zu ihr umdrehte, spiegelte sein Gesicht Entsetzen wider.
«Nicht», sagte er, aber sie musste es sich einfach noch einmal ansehen. Sie schaute an ihm vorbei.
Das Plakat war farbig und in DIN A3. Es zeigte eine nackte, abartig dicke Frau. Ihre hängenden Brüste waren übersät von etwas, das entweder Blutergüsse oder Brandmale
von Zigaretten sein mochten. Sie hockte mit breit gespreizten Beinen da und stellte ihre Scham zur Schau, während sie von
einem halbverdeckten Mann penetriert wurde.
Oben auf diesem fleischigen Leib thronte Kates Gesicht. Ihr Kopf war unbeholfen, aber deswegen nicht weniger wirkungsvoll
auf den der Frau gepfropft worden. Das Bild zeigte sie glücklich lachend und auf groteske Weise gleichgültig gegenüber ihrer
Unzucht und der in fetten roten Lettern auf das Poster gedruckten Botschaft.
«KATE POWELL IST EINE MORDENDE HURE.»
Kate wandte
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