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Flammenbrut

Titel: Flammenbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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zurück. Den Gedanken, noch jemanden zu verlieren,
     konnte sie einfach nicht ertragen.
    Kate ging den Weg hinauf. Sie wischte sich die Augen ab, und erst als sie auf die Klingel drückte, wurde ihr bewusst, dass
     sie furchtbar aussehen musste. Sie hörte jemanden näher kommen, dann öffnete Lucy die Tür.
    Sie sahen einander an, ohne etwas zu sagen. Im Hintergrund konnte Kate das Geplapper des Fernsehers hören, konnte das anheimelnde
     Licht aus dem Wohnzimmer und der Küche sehen. Es zeichnete Lucys Silhouette in der unbeleuchteten Diele nach. Kate konnte
     ihren Gesichtsausdruck nicht erkennen.
    Wortlos trat Lucy zurück, damit sie eintreten konnte. Als sie durch die Tür trat, konnte Kate ihre Freundin nicht ansehen.
     Sie zog sich von ihrem Schweigen zurück und ging unsicher aufs Wohnzimmer zu. Lucy schloss die Tür und folgte ihr, um Jacks
     übereinandergetürmte Kisten und Kartons im Flur herum. Das Haus roch nach Essen und schmutzigen Windeln. Kate trat in den
     hellerleuchteten Raum.
    Aus dem Fernseher plärrte irgendeine hektische Kindersendung. Jack und Emily waren ganz in den Film versunken; sie saßen mit
     dem Rücken zu Kate nebeneinander auf dem |372| Sofa. Von ihrer Ankunft nahmen sie keine Notiz. Angus stand neben ihnen in seinem Laufstall, was Kate überraschte, da er ihm
     schon lange entwachsen war. Als er sie sah, begann er zu weinen und hielt ihr die Arme hin, um herausgenommen zu werden. Kate
     ging instinktiv auf ihn zu. Die gezwungen fröhliche Begrüßung lag ihr bereits auf der Zunge, als sie das Sofa erreichte und
     ihre Worte erstarben.
    Die Münder von Jack und Emily waren mit braunem Paketband zugeklebt.
    Das Bild drang in ihr Bewusstsein, aber Kates Verstand weigerte sich, es zu begreifen. Sie hörte einen Laut hinter sich. Sie
     drehte sich um.
    Lucy stand in der Tür. Ihr Kopf wurde von der Klinge des langen Küchenmessers, das ihr an die Kehle gehalten wurde, zur Seite
     geneigt. Ellis stand hinter ihr. Mit der einen Hand hielt er das Messer fest, mit der anderen packte er Lucys nackten Arm,
     und seine Finger bohrten sich in das Fleisch über dem Ellbogen.
    «Es tut mir leid.»
Lucys Stimme war ein Flüstern. Ihr Gesicht war aufgedunsen und tränenüberströmt. Die Augen, die Kate anblickten, waren voller
     Angst.
«Es tut mir leid.»
    Niemand rührte sich.
    Kate machte einen Schritt rückwärts.
    Ellis trieb Lucy weiter ins Zimmer. Er wandte den Blick nicht von Kate ab. Seine Augen waren leuchtend und fiebrig und das
     Fleisch darunter von purpurnen Flecken verfärbt. Sein Gesicht war ausgezehrt, und das Haar stand ihm in glanzlosen Strähnen
     vom Kopf. Auf den Wangen wuchs ein zotteliger Bart.
    Er sah Kate an wie einen Menschen, der ihm noch nie begegnet war.
    Lucys Brust hob und senkte sich. «Es tut mir leid», flüsterte |373| sie nochmals, und nun nahm Kate zum ersten Mal ihre schmutzigen Kleider und ihr ungewaschenes Haar wahr. Sie sah dünner aus.
     «Er hat die
Kinder
bedroht, Kate! Er sagte, wenn wir nicht täten, was er will, würde er   … würde er   …» Ihr Blick huschte gequält zu Emily und Angus. «Er hatte ein Messer! Wir hatten keine
Wahl
! Wir haben es versucht, Jack   –»
    «Mund halten!»
    Lucy verstummte. Ihre Lippen zitterten. Das Messer zwang ihr Kinn in die Höhe und verlieh ihr die selbstbewusste Pose eines
     Fotomodells. Jack gab ein ersticktes Geräusch von sich. Kate sah ihn an und bemerkte, dass auch seine Hände und Füße gefesselt
     waren. An einer Schläfe sah sie eine sich gelblich färbende Beule, und in dem Blick, den er Ellis zuwarf, lagen Hass und Rachedurst.
     Kate sah, wie er gegen das Klebeband ankämpfte, aber es war zu oft um seine Glieder gewickelt worden, als dass er sich hätte
     befreien können.
    Neben ihm saß, auf ähnliche Weise gefesselt, Emily. Die Tränen rollten dem kleinen Mädchen übers Gesicht, und ihr Anblick
     machte Kate ungeheuer wütend.
    «Du Schwein!», rief sie und drehte sich wieder zu Ellis um. «Was haben sie dir getan?»
    Bei ihrem Zornesausbruch blinzelte er, nahm aber nicht das Messer von Lucys Kehle.
    «Sie k-kennen dich», sagte er. Sein Mund zuckte. «Sie sind deine Freunde!»
    Er betonte «deine». Die Hand, die Lucys Arm umklammert hielt, fasste fester zu, und sie hob das Kinn über die Messerspitze
     hinweg.
    Kate zwang sich, seinen Blick zu erwidern. Sie zeigte auf Emily. «Sie ist ein kleines Mädchen, verdammt!»
    |374| Sie ging entschieden zum Sofa hinüber.
    «Halt still», sagte

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