Flammenbrut
war, fuhr sie mit dem Taxi nach Hause. Die Straßen, die an diesem Morgen noch sonnig gewesen waren, waren jetzt,
kurz vor der Abenddämmerung, grau geworden.
Der Wagen geriet in einen Stau, und Kate beobachtete das tickende Taxameter, während sie inmitten von Abgasen und Autohupen
standen. Flüchtig überlegte sie, ob sie genug Kleingeld dabeihatte, um den Fahrer zu bezahlen. Ein Teil von ihr hoffte, dass
dem nicht so war.
Wieder und wieder spulte sich ihr Gespräch mit Paul in ihrem Kopf ab. Jede Nuance, jede Silbe schien von einer neuen und grausamen
Endgültigkeit zu künden. Sie dachte an seine letzten Worte zu ihr.
Pass auf dich auf.
Sie hatte sich nicht die Mühe gemacht, ihm dasselbe zu sagen.
Sei
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vorsichtig
, hätte sie sagen können.
Er ist gefährlich. Er verbrennt Menschen. Pass auf dich auf.
Aber sie hatte es nicht gesagt.
Es wurde bereits dunkel, als das Taxi in ihre Straße einbog. Sie bezahlte den Fahrer und stieg aus. Das Taxi fädelte sich
wieder in den Verkehr ein und ließ sie allein auf dem Pflaster zurück.
Die Straße war leer. Kate bog in den Weg zu ihrem Haus ein und öffnete hastig die Tür. Sie knipste das Licht in der kleinen
Diele an und schrie auf, als die Glühbirne mit einem blauen Blitz durchbrannte. Mit klopfendem Herz sank sie gegen die Wand.
Reiß dich zusammen. Es ist nur die Glühbirne.
Aber sie zitterte noch immer, während sie nach oben ging. Schnell zog sie die Wohnungstür hinter sich zu und schaltete das
Licht ein. Die Leere der Wohnung schlug ihr regelrecht entgegen, und das grelle Licht schien diese Leere noch zu verstärken.
Sie tat einen Schritt, doch dann begann ihre Brust schon heftig zu beben. Sie versuchte dagegen anzukämpfen, als ihr Tränen
in die Augen traten und sie nicht mehr an sich halten konnte. Völlig aufgelöst stand sie da, unfähig, sich auch nur zu bewegen,
während sie von Heulkrämpfen regelrecht geschüttelt wurde.
«O G-Gott … o Gott …»
Da versagte ihr die letzte Kraft. Alles, was in den letzten Wochen passiert war, brach über sie herein. Blind stolperte Kate
den Flur entlang, griff nach dem Telefon und tippte unbeholfen auf die Tasten.
Sie bemühte sich, ihr Weinen in den Griff zu bekommen, während es am anderen Ende klingelte. Als sie Lucys Ansagetext hörte,
sackte Kate vor Verzweiflung in sich zusammen. Ihr Magen schmerzte von der Wucht ihres Schluchzens, |370| und sie konnte es kaum erwarten, bis die Ansage zu Ende war.
«Lucy, ich bin’s, Kate, es tut mir leid, bitte –»
Am anderen Ende der Leitung wurde der Hörer abgehoben.
«Ja?»
Lucys Stimme klang tonlos. Kate hatte Mühe, die Fassung zu bewahren. «Ich … ich bin’s. Hör mal, ich … ich weiß, ich sollte dich nicht einfach so anrufen, aber … O Gott, hör mal, kann ich nicht bitte rüberkommen?»
Keine Antwort.
«Bitte!»
Neuerliches Zögern. «Okay.»
Kate brachte ein ersticktes Danke heraus und legte mit zitternden Händen auf. Sie wischte sich mit dem Handrücken die Tränen
vom Gesicht und wählte aus dem Gedächtnis die Nummer einer Taxigesellschaft. Dann ging sie schnell ins Bad und tupfte sich
die Augen trocken. Ihr Gesicht sah im Spiegel immer noch fleckig und verheult aus, aber das war ihr egal.
Als das Taxi draußen hupte, rannte sie nach unten. Die Straßenlaternen waren mittlerweile angegangen und hüllten den Bereich
vor der Gartenmauer in tiefe Schatten. Als Kate die Haustür hinter sich zuschlug und den Weg hinunterrannte, war der Kater
nirgends zu sehen. Noch jemand, den zu schützen sie versäumt hatte. Sie wollte gerade ins Taxi steigen, als ihr einfiel, dass
ihr ganzes Wechselgeld für die andere Fahrt draufgegangen war. Sie sprang noch einmal in ihre Wohnung hinauf und durchwühlte
die Schubladen, bis sie genug Geld für den Fahrpreis zusammengekratzt hatte. Als sie zurückkehrte, schnalzte der Fahrer ärgerlich
mit der Zunge.
|371| Kate kauerte sich in den Rücksitz und sah eine normale Welt an sich vorüberziehen.
Die Nervosität kam erst, als das Taxi sie vor Lucys und Jacks Haus absetzte. Es schien eine Ewigkeit her zu sein, seit sie
das letzte Mal in dem großen Haus gewesen war. Eine Hand auf dem Tor, blieb sie zögernd stehen. Ich tue genau das, was Lucy
mir vorgeworfen hat. Jetzt, da ich in Schwierigkeiten bin, komme ich zu ihnen gerannt. Aber es war ihr egal, wie viel Verachtung
und Schuld Lucy auf ihr Haupt laden mochte. Hauptsache, sie stieß sie nicht
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