Flammenbrut
Kate näher. Eine einzige Stufe führte zu verglasten Doppeltüren. An der Mauer rechts daneben war
ein kleines weißes Plastikschild angebracht. In schlichten schwarzen Lettern stand darauf: «Abteilung für Geburtshilfe und
Gynäkologie».
Was tue ich hier?
Die Frage überfiel sie mit plötzlicher Klarheit. Schuldbewusst sah sie sich um. Aber niemand beobachtete sie. Die Straße war
immer noch leer. Die Türen ächzten, als Kate sie aufdrückte und eintrat.
Mit einem leisen Quietschen schwangen sie hinter ihr zu. Sie stand in einem kleinen Foyer. Der Boden war mit gelben Kunststoffquadraten
gefliest, abgetreten und voller winziger Löcher, aber sauber. Es roch leicht muffig, wie in jedem öffentlichen Gebäude. Ein
Schild mit der Aufschrift «Empfang» zeigte einen Flur hinunter. Kate zögerte einen Augenblick, bevor sie dem Hinweis folgte.
Die Tür zum Empfangsbüro stand einen Spaltbreit offen. Kate klopfte leise an und drückte die Tür auf. Sofort drehten zwei
Frauen sich zu ihr um. Eine war vielleicht Mitte vierzig und saß hinter einem Schreibtisch. Die andere war jünger und hielt
eine Aktenmappe in der Hand. Sie lächelte und sah Kate mit hochgezogenen Augenbrauen fragend an.
«Ich … Ich habe einen Termin», sagte sie.
Die Frau mit der Mappe lächelte immer noch. «Kate Powell, nicht wahr?» Ohne auf eine Antwort zu warten, trat sie strahlend
und mit ausgestreckter Hand auf Kate zu, welche in die angebotene Hand einschlug. «Ich bin Maureen Turner. Wir haben telefoniert.»
Diese Frau wirkte locker und freundlich, und urplötzlich |65| war das Gebäude nicht mehr ganz so schmutzig und fremd. Kate lächelte erleichtert zurück.
Mrs. Turner wandte sich nun an ihre ältere Kollegin. «Wir sind dann im hinteren Gesprächsraum, Peggy. Kannst du dafür sorgen, dass
man uns zwei Tassen Tee reinschickt?» Sie drehte sich wieder zu Kate um.
«Ist Tee in Ordnung? Ich fürchte, die Kaffeemaschine hat ihren Geist aufgegeben.»
«Tee ist schon gut», antwortete Kate und merkte gleichzeitig, dass sie im Grunde gar nichts trinken wollte. Aber die andere
Frau hatte sich bereits zum Gehen gewandt.
«Es ist gleich hier drüben.»
Kate folgte ihr, und ihre Schuhe klapperten leicht arrhythmisch auf dem gekachelten Fußboden. Die Beraterin öffnete eine Tür
am anderen Ende des Gangs und ließ Kate vorangehen. Der Raum war überhitzt und stickig. Mehrere niedrige Plastiksessel standen
um einen hölzernen Couchtisch gruppiert. Es sah aus wie in einem Lehrerzimmer, fand Kate.
Die Frau trat an das große Fenster und mühte sich damit ab, es aufzubekommen. «Ich glaube, wir lassen besser etwas frische
Luft rein, bevor wir anfangen», sagte sie, während sie mit aller Kraft gegen den Fensterriegel drückte. «Setzen Sie sich,
fühlen Sie sich ganz wie zu Hause.»
Kate erschien die bloße Vorstellung, sich hier wohl fühlen zu können, absurd. Sie entschied sich für den erstbesten Sessel.
Als sie sich hineinsetzte, entwich leise zischend die Luft aus dem Plastikkissen.
Mit einem letzten entschlossenen Ruck gelang es der Frau endlich, das Fenster zu öffnen. Sie wischte sich die Hände ab und
wandte sich Kate zu.
«Das hätten wir. So ist es schon besser.»
|66| Dann nahm sie ebenfalls Platz und schenkte Kate ein neuerliches Lächeln. «Sie haben uns also ohne große Probleme gefunden?»
«Aber ja. Ich habe an der U-Bahn -Station ein Taxi genommen.»
«War wahrscheinlich klug. Ich bin bei Wegbeschreibungen nicht die Geschickteste.»
Kate lächelte höflich. Sie wusste, dass der Smalltalk ihr die Angst nehmen sollte, aber er hatte die gegenteilige Wirkung.
Sie spürte, wie ihre Nervosität zurückkehrte.
Die Frau legte eine Akte auf den niedrigen Tisch zwischen ihnen. «Sind wir die erste Klinik, an die Sie sich wenden?»
«Ja, ich habe Ihre Nummer von meinem Frauenarzt.» Kate hoffte, dass man ihr die Nervosität nicht anmerkte.
«Sie haben also noch kein Beratungsgespräch über künstliche Befruchtung geführt?»
«Äh, nein, nein, habe ich nicht.»
«Gut, das ist kein Problem. Also …»
Es klopfte an der Tür. Einen Augenblick später trat die ältere Frau herein, die Kate im Empfangsbüro gesehen hatte, stellte
ein Tablett auf den Tisch und entfernte sich wieder. Kate kämpfte gegen den Drang an, auf ihrem Sessel hin und her zu rutschen,
sagte ja zu Milch, nein zu Zucker, dann wurde der Tee eingeschenkt und umgerührt. Tasse und Untertasse wurden über den
Weitere Kostenlose Bücher