Flammenbrut
hysterisch wirst, so viel steht fest.» Sein Tonfall war vernichtend und bitter. «Du solltest mal
zu einem Psycho-Fritzen gehen.»
Kate erstickte fast vor Zorn. Lucy sprach an ihrer Stelle. «Einer von euch sollte das bestimmt, aber nicht sie. Und ich glaube,
versuchte Vergewaltigung wäre sowieso eher eine Sache für die Polizei.»
Köpfe drehten sich, während immer mehr Leute vorbeiströmten. Paul sah Lucy mit einem mörderischen Blick an. «Du hältst dich
da raus!»
Kate hatte sich wieder unter Kontrolle. «Es gibt nichts, wo sie sich raushalten müsste. Du bist es gar nicht wert, dass man
sich mit dir beschäftigt.»
Sie machte noch einen Schritt nach unten, sodass sie einander beinahe berührten. Sie starrte ihn an.
«Gehst du jetzt zur Seite?»
Es folgte ein Augenblick absoluter Reglosigkeit. Dann wandte er als Erster den Blick ab und trat zur Seite. Kate schob sich
an ihm vorbei, ohne ihn noch einmal anzusehen. Sie hielt sich sehr aufrecht, und als sie weiterging, spürte sie, dass er ihr
hinterherstarrte. Lucy kam nun ebenfalls die Treppe herunter, ein oder zwei Stufen hinter ihr. Als sie in den kühlen U-Bahn -Tunnel traten, waren sie sofort vom Sonnenlicht abgeschnitten. Pauls Schrei hallte hinter ihnen her.
«Scheißnutte!»
Kate ging weiter, den Blick stur auf einen Punkt vor sich geheftet. Die Schreie verfolgten sie, wurden von den harten Mauern
zurückgeworfen.
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«Du hältst dich für verdammt clever, wie? Frag doch mal deine Freundin, mit wem sie es früher getrieben hat. Na los, du selbstgefälliges
Miststück! Frag sie!»
Für die beiden scheinbar ungerührt weitergehenden Freundinnen wurden die Schreie undeutlicher. Kate spürte, dass Lucy neben
ihr war, wagte sie jedoch nicht anzusehen. Keine der beiden Frauen sagte etwas. Kate kämpfte sich energisch durch die überfüllte
Halle und blieb vor einem Fahrkartenautomaten mit dem Schild «Außer Betrieb» stehen. Vor ihnen klapperten und klirrten die
Drehkreuze unter dem Ansturm der Fahrgäste. Lucy räusperte sich.
«Hör mal, Kate …»
«Stimmt das?»
Lucy zögerte, dann nickte sie. Die Starrheit, die Kate bisher aufrecht gehalten hatte, fiel von ihr ab.
«Warum hast du mir das nicht gesagt?»
Lucys Gesicht verriet eine für sie ganz untypische Bekümmerung. «Weil es Ewigkeiten her war, als du anfingst, mit ihm auszugehen.
Ich kannte dich damals nicht mal, als ich was mit Paul hatte. Auch Jack hatte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht kennengelernt.
Es war nichts Ernstes.»
«Warum hast du es dann für dich behalten?»
«Was hätte ich denn sonst tun können? Von dem Augenblick an, als du mit ihm zusammen warst, konnte ich wohl kaum noch etwas
sagen, oder? Du hättest jede Bemerkung von mir über das Thema für reine Gehässigkeit gehalten!»
«Aber warum hast du es mir dann nicht
später
erzählt?»
«Was, in dem Zustand, in dem du warst, als ihr euch getrennt habt? Wie hätte ich das tun können?»
«Lucy, das ist jetzt drei Jahre her! Warum hast du nicht irgendwann mal etwas gesagt?»
Lucy zuckte hilflos mit den Schultern. «Es schien mir keinen |57| vernünftigen Grund dafür zu geben. Und je länger ich es hinausschob, umso schwieriger wurde es. Ich
wollte
es dir immer sagen, Kate, wirklich! Ich habe nur … Na ja, irgendwie hat es sich einfach nie ergeben.» Sie runzelte bestürzt die Stirn. «Tut mir leid.»
Kate wandte sich ab. Nach dem vorangegangenen Gespräch, das sie sehr aufgewühlt hatte, hinterließ diese Enthüllung eine tiefe
Leere in ihr. Aber als sich der erste Schock legte, wurde ihr klar: Wenn Lucy ihr gestanden hätte, dass sie mit Paul zusammen
gewesen war, ja mit ihm
geschlafen
hatte, das wäre das Ende ihrer Freundschaft gewesen. Noch vor einem Jahr, vielleicht auch später noch, hätte sie es wahrscheinlich
nicht verkraftet. Wie konnte sie Lucy da ihr Schweigen zum Vorwurf machen? Und wenn Kate ihn damals noch nicht einmal gekannt
hatte – was ging die Sache sie da überhaupt an? Plötzlich schien alles viel zu lange zurückzuliegen, Menschen zu betreffen,
an die sie sich kaum noch erinnern konnte.
Lucy beobachtete ihre Freundin ängstlich. Kate sah sie mit einem müden Lächeln an.
«Schau nicht so grimmig drein. Ich werde dich schon nicht exkommunizieren.»
Lucy war immer noch nicht überzeugt. «Du bist mir nicht böse?»
«Nein, bin ich nicht. Im ersten Moment war ich es schon, aber jetzt …» Sie zuckte mit den Schultern.
Lucys Miene
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