Flammenbrut
aber nicht auf. Lucy schlang die Arme
um ihren Oberkörper und sah zu, wie ein Tropfen nach dem anderen sich aus dem Wasserhahn löste.
«Du gehst besser wieder rein und rettest Alex», sagte sie. «Jack hat ihn mittlerweile wahrscheinlich mit seinem Geschwätz
halb zu Tode gelangweilt. Ich komme nach, wenn ich den Kaffee fertig habe.»
Kate öffnete die Tür.
«Kate?»
Sie drehte sich noch einmal um. Lucy zog die Schultern hoch.
«Tut mir leid.»
Kate ging hinaus und ließ die Tür hinter sich zufallen. Lucys Verbitterung war so unerwartet gekommen wie ein Bissen faulen
Fruchtfleischs in einem ansonsten gesunden Apfel. Kate blieb noch einen Augenblick in dem dunklen Flur stehen. Aus der Küche
hinter ihr kam das gedämpfte |147| Klappern einer Schranktür, dann das Klirren von Porzellan. Vor ihr fiel ein Lichtstrahl durch die halbgeöffnete Wohnzimmertür.
Von einem Gespräch war nichts zu hören. Kate ging hinein.
Alex blickte nicht auf, als sie eintrat. Er saß allein am Tisch, sein Gesicht im Halbdunkel. In Gedanken schien er weit fort
zu sein, während er in das flackernde Kerzenlicht starrte. Kate blieb zögernd stehen, als er mit dem Finger durch die gelbe
Spitze strich, einen Augenblick wartete und die Hand gelassen wieder zurückzog. Die Flamme flackerte jedes Mal ein wenig und
neigte sich seinem Finger zu, als wollte sie ihn fangen.
Kate trat an den Tisch. «Tut das nicht weh?»
Alex sah sie mit großen, erschrockenen Augen an, als er den Kopf hob. «Was?»
«So die Hand durch die Flamme zu bewegen? Tut das nicht weh?»
Er starrte seine Finger und die Kerze an, als hätte er beides gerade erst bemerkt. «Ähm, nein, eigentlich nicht.»
Kate setzte sich. «Aber man muss sich dabei doch verbrennen?»
Abermals blickte er in die Flamme. «Nur wenn man es zulässt.» Er lächelte sie an. «Versuchen Sie’s.»
Kate lachte und schüttelte den Kopf. «Nein danke.»
«Es tut nicht weh. Nicht, wenn man schnell genug ist und nicht zu nahe an den Docht kommt.»
Sie warf ihm einen skeptischen Blick zu.
«Ehrlich. Wenn man es richtig macht, verbrennt man sich nicht.»
Sie sahen einander über die Kerze hinweg an. Zaghaft streckte Kate einen Finger aus, bis er nur wenige Zentimeter von der
Flamme entfernt war.
|148| «Nein», sagte sie mit einem Lachen und riss die Hand wieder zurück.
«Na los. Vertrauen Sie mir.»
Sie streckte abermals die Hand aus. Eine kleine Rauchsäule stieg über der Flamme auf. Sie konnte die Hitze an ihrer Haut spüren.
Ihr Finger zitterte.
Ein Geräusch im Flur verriet Lucys bevorstehende Rückkehr mit dem Kaffee. Hastig zog Kate die Hand zurück.
«Ich glaube Ihnen auch so», sagte sie lachend.
Auf dem Heimweg teilten sie sich ein Taxi. Alex bestand darauf, Kate zuerst abzusetzen, und versicherte ihr, dass es auf diese
Weise schneller gehe. Nach kurzem Zögern nahm sie seinen Vorschlag an. Eigentlich war sie fest entschlossen gewesen, ihm nicht
zu verraten, wo sie wohnte, aber da er gerade bei Lucy und Jack zu Gast gewesen war, erschien ihr diese Vorsichtsmaßnahme
jetzt kleinlich und sinnlos.
Sie saßen nebeneinander auf dem schwarzen Polster des Rücksitzes. Anfangs plätscherte ihre Unterhaltung mühelos dahin. Alex
wurde geradezu redselig, als sie sich danach erkundigte, wo er wohnte. Wortreich erklärte er ihr, dass er zurzeit nur ein
vorübergehendes Quartier habe, weil er bei einer Verkettung von Immobilienkäufen hereingefallen war: Nachdem er schon die
Kaufverträge mit dem Paar abgeschlossen hatte, das seine Wohnung beziehen wollte, hatten die Leute, deren Haus er eigentlich
hätte kaufen sollen, ihr Angebot wieder zurückgezogen.
«Ich hatte genau drei Tage Zeit, um irgendwas zu finden, bevor die neuen Besitzer in meine Wohnung einzogen.» Er zuckte resigniert
die Achseln. «Also habe ich jetzt den größten Teil meiner Sachen in einem Lagerraum und sitze in einem Apartment fest, bis
ich was anderes finde.»
|149| «Haben Sie sich denn schon irgendetwas angesehen?»
«Ähm, nein, eigentlich nicht. Ich habe nicht viel Zeit zum Suchen. Sie wissen ja, wie so was ist.»
Mit einem Mal war er wieder so gehemmt wie am Anfang.
«Na ja, wenigstens weiß dann niemand, wo Sie nach Dienstschluss zu finden sind», scherzte Kate, um ihn erneut aus der Reserve
zu locken.
Alex sah sie verwirrt an.
«Die Patienten, meine ich», erklärte sie und kam sich ziemlich dumm dabei vor. «Ich habe gedacht, bei Psychologen wäre
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