Flammenbucht
zu.
»Mag unser süßes Fischlein nicht mehr schwimmen, hä? Hat es lange genug im Silbermeer herumgeplanscht?« Mehrere Hände zerrten Ashnada ins Boot. Mit verquollenen Augen blickte sie zu der Besatzung auf - und entdeckte zu ihrem Erstaunen ein vertrautes Gesicht.
»Aelarian Trurac!« entfuhr es ihr. »Was…in aller Welt… macht Ihr hier?«
Der Troublinier zuckte mit den Schultern. »Wie es aussieht, rette ich gerade ein paar Schiffbrüchige vor dem Zorn des Leuchtturms.« Er deutete auf eine Gestalt, die unweit von Ashnada im Boot lag. Es war Rumos; seine rote Kutte klatschnaß und in Fetzen. Erschöpft krümmte er sich auf den Planken.
»Wir hofften, noch mehr Leute aus dem Wasser fischen zu können«, fuhr Aelarian fort. »Doch das Meer hat sie alle zu sich geholt - auch Kapitän Coron! Sein Turmbinder hat ihm kein Glück gebracht.«
Ashnada sank erschöpft in sich zusammen. Einer der Männer legte ihr eine Decke um die Schultern. Ihre Augen wanderten zu Rumos hinüber. Dieser hatte sich zitternd aufgesetzt. Mit blutunterlaufenen Augen starrte er den Großmerkanten an.
»Aelarian… Ihr… habt mich… gerettet!« Es klang wie eine Anschuldigung.
»Wie könnte ich meinen alten Kameraden aus Haus Moorbruch ersaufen lassen?« erwiderte Aelarian mit mildem Spott. »Wir haben lange Zeit einen gemeinsamen Weg beschritten; und noch müssen wir ihn ein Stück zusammen weitergehen.« Er deutete auf das Leuchtfeuer, das in einiger Entfernung über die Wellen huschte. »Ich finde, der Leuchtturm hat uns lange genug auf Morthyl festgehalten. Nun hat er auch noch die Goldei herbeigelockt; ringsum wimmelt es nur so von ihren Schiffen! Es ist höchste Zeit, unserem Freund Baron Eidrom einen Besuch auf Fareghi abzustatten. Denn sonst werden wir nie nach Tyran gelangen, um den Weltenwanderer aufzuhalten - oder was meint Ihr, Rumos?«
Der alte Priester öffnete den Mund, um zu antworten. Doch als er das goldene Amulett an Aelarians Hals bemerkte, erstarben die Worte auf seinen Lippen, und seine Augen glühten vor Haß.
KAPITEL 14 -
Ketten
Die Statue war nur eine Handspanne groß, gemeißelt aus schwarzem Sithalit, ihre Gesichtszüge grob und undeutlich. Sie stellte einen stämmigen Mann dar; er trug ein Kaufmannsgewand, und seine Hände umschlossen einen Griffel und eine Wachstafel, die Wahrzeichen der palidonischen Händler. Zu seinen Füßen lag ein Bär; er hatte sich zusammengerollt, reckte jedoch die Schnauze empor; in dem geöffneten Maul waren gefährliche Reißzähne zu erkennen.
Die Figur stand in der Wandnische eines abgelegenen Gangs im Westflügel des Kaiserpalastes. Dieser Gebäudeteil war stark heruntergekommen; fingerdick lag der Staub auf den Bodenplatten, von der Decke und den Säulen rieselte Putz, und in zerfetzten Spinnennetzen hing uralter Schmutz. Als der Silberne Kreis nach dem Fall von Thax in die Stadt Vara zurückgekehrt war, hatte die Zeit nicht ausgereicht, um sämtliche Teile der Palastanlage in einen bewohnbaren Zustand zu bringen. Vor allem der Westflügel zeugte von der langen Vernachlässigung, unter der das Bauwerk während der Abwesenheit des Thronrats gelitten hatte. Schon seit dem frühen Morgen kniete Binhipar Nihirdi, der Fürst von Palidon, vor der Wandnische. Staub hatte seinen Mantel geweißt, die ledernen Beinkleider und selbst die Enden seines geflochtenen Barts, die bis zum Boden reichten. All dies schien der Fürst kaum zu bemerken; sein Blick blieb auf die Statue gerichtet, und seine Lippen bebten, als murmelte er ein Gebet.
Schritte hallten durch den Gang. Binhipar wandte sich nicht um. Er wußte, wer der Ankömmling war, der ihn vermutlich schon den ganzen Morgen im Palast gesucht hatte.
»Hier also finde ich Euch, Binhipar!« Die sonst so süßliche Stimme Scorutars verriet seine Gereiztheit. »Der halbe Palast befindet sich in Aufruhr, doch Ihr versteckt Euch in einem staubigen Gang und haltet Zwiegespräche mit einem Götzen!«
Ruckartig wandte Binhipar den Kopf. Scorutar Suant stand dicht hinter ihm; in seinen kastanienbraunen Locken hatten sich einige Spinnweben verfangen, und auf dem Kragen seines Seidengewands lagen Mörtelbrocken, die von der Decke herabgefallen waren.
»Hütet Eure Zunge, Scorutar!« stieß Binhipar zwischen den Zähnen hervor. »Es ist schandhaft genug, daß Euch nichts mit Eurem Ahnen verbindet; wenn Ihr jedoch Nihirdi den Standhaften schmäht, soll Euch mein ganzer Zorn treffen.«
Abschätzig blickte Fürst Scorutar auf die
Weitere Kostenlose Bücher