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Flammenbucht

Flammenbucht

Titel: Flammenbucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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endgültig. Doch zuvor muß ich wissen, was er im Schilde führt. Aelarian hätte sich niemals vom Gildenrat zur dieser Reise bewegen lassen, wenn er nicht eigene Ziele verfolgte.« Schon wollte der Priester die Schiffskabine verlassen. Doch dann kam ihm ein weiterer Gedanke. »Was dich betrifft, Ashnada, so solltest du ein wenig an deinem Äußeren arbeiten. Ich möchte nicht, daß du auf Morthyl durch dein eitles Gehabe auffällst.«
    »Soll ich mich wie Ihr in dreckige Lumpen hüllen?« spottete Ashnada.
    Rumos blickte sie tadelnd an. »Für den Anfang genügt es, wenn du dir ein Messer nimmst und den Kopf scherst. Dein weißblondes Haar könnte Aufsehen erregen; es ist die Haarfarbe der gyranischen Besatzer, denen die Morthyler selbst so viele Jahrhunderte nach Ende des Südkrieges noch immer Haß entgegenbringen. Es wäre gefährlich, wenn man dich als eine Gyranerin erkennen würde - oder gar als jene Frau, die vor zehn Jahren mordend durch die Dörfer zog.« Er wandte sich wieder zur Tür. »Schneide dir die Haare also besser ab, Ashnada. Sie passen ohnehin nicht zu deinem Gesicht.«
    Mit diesen Worten verließ der Zauberer die Kabine. Angewidert starrte Ashnada ihm nach. Dann packte sie das Ende ihres blonden Schopfes und betrachtete die Haarspitzen. Dort, wo die Hand des Priesters sie berührt hatte, waren die Haare schwarz verfärbt, als hätte eine offene Flamme sie verbrannt.
    Übelkeit stieg in ihr auf. Sie tastete nach dem Griff des Messers, das sie am Gürtel trug. Spürte das weiche Haar durch ihre Finger gleiten. Das Herz wollte ihr zerspringen, als sie das Messer anhob, als die Klinge sich dem Haaransatz näherte. Ihre Füße stießen gegen den Zinnspiegel, der vor ihr auf dem Boden lag. Wütend trat sie ihn fort. Mit einem Scheppern schlug er gegen die Holzwand der Kabine.
    Dort blieb er liegen, zerbeult, zerschunden. Blondes Haar fiel in Büscheln auf ihn herab; langes, weißblondes Haar, das die reflektierende Oberfläche bald vollständig bedeckte.

KAPITEL 2 -
Stürme
    Langsam, beinahe bedächtig fuhr die Hand über den Stein. Es war eine alte Hand, die Finger gekrümmt, die Haut mit Falten und Flecken übersät, und sie zitterte, während sie über den Stein strich und die Vertiefungen und Rillen ertastete, die in die Oberfläche gemeißelt waren. »Welch Frevel«, murmelte eine heisere Stimme, »welch abscheulicher Frevel!« Die Hand hielt inne und verharrte über den Schriftzeichen. »Gräber werden zu Orten der Götzenverehrung, feierliches Gedenken weicht sündhafter Vergottung. Welch ein Wahn!« Wieder strich die Hand über den schwarzen Stein; die Fingerkuppen glitten über ein eingeritztes Zeichen: ein Kreis, bestehend aus zehn Gliedern, ähnlich einer Kette. Unter dem Kreis standen zehn Namen. SUANT lautete einer davon, ein zweiter NIHIRDI, ein dritter GENEDER. Im Inneren des Kreises war in ein Spruch eingemeißelt: GEBOREN IN VARA, ERMORDET IN PERSYS, BEGRABEN IM BERG VON CARMAND. »Welch ein Wahn«, wiederholte die Stimme, »der euch zu Helden machte, eure Söhne zu Rebellen und eure Enkel zu Fürsten eines Reiches, das an den Sünden ihrer Nachkommen zugrunde geht.«
    Der Stein stand auf der Spitze eines Hügels. Dunkles Gras bedeckte die Hänge; die steife Brise, die seit Tagen von Osten her wehte, hatte die Halme geglättet und an den Boden geheftet. Nur der Stein von Carmand durchbrach diesen grünen Teppich; das Mahnmal für jene zehn Kaufleute, die vor über vierhundertfünfzig Jahren den Südbund gegründet hatten und deshalb von den Königreichen des Nordens ermordet worden waren. Die Hand glitt ein letztes Mal über die Oberfläche des Steins. Dann ballte sie sich zur Faust. Ein Mann richtete sich auf. Greisenhaft war sein Gesicht, zottig das Haar, das um Stirn und Wangen flatterte. »Ihr wißt, was Tathril über den Tod spricht«, donnerte seine Stimme. »Wessen Zeit gekommen ist, der soll von uns gehen; und wer begraben ist, soll ruhen. Dennoch pilgern jedes Jahr, am dritten Tag des ersten Kalenders, die Fürsten Sithars zum Berg von Carmand. Sie stellen sich nebeneinander im Kreis auf - dort, wo ihr nun steht, meine Brüder! -und gedenken der Toten, die im Berg von Carmand begraben liegen. Sie legen die silbernen Ketten ab, die sie um den Hals tragen, und flehen ihre Vorfahren an, ihnen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.« Die geballte Faust des Alten fuhr gen Himmel. »Ihr wißt, daß Tathril die Verehrung der Ahnen verabscheut, daß er sie als Frevel gegen den wahren

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