Flammende Sehnsucht
Ihnen entschuldigen. Ich habe die ärgerliche Angewohnheit, mit meiner Meinung nicht hinterm Berg zu halten. Kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Was sich hin und wieder ungünstig ausgewirkt und unvorhersehbare Folgen gezeitigt hat.«
»Kann ich mir gut vorstellen.«
»Trotzdem, so bin ich nun mal, und ich sehe keinen Anlass, etwas daran zu ändern.«
»Das sollten Sie auch nicht.«
»Finden Sie wirklich?« Sie blickte zu ihm auf.
»Ja.«
»Die meisten Männer, die ich kenne, würden mir raten, den Mund zu halten oder zumindest meine Zunge zu bezähmen.«
»Ja, aber mich kennen Sie eben noch nicht.« Er klang belustigt. »Obwohl sogar ich Ihnen raten würde, sich mit Ihren Meinungen über das Verhalten der meisten oder auch nur berüchtigter Männer ein wenig zurückzuhalten. Wir sind nicht alle gleich.«
»Trotzdem, ich täusche mich selten.«
Er lachte, und sie merkte, wie ungeheuer aufgeblasen sie klang. Seltsam, dass sie sich nicht erinnern konnte, jemals so geklungen zu haben.
»Ich warne Sie, ich bin außerdem eine große Anhängerin
der Aufrichtigkeit.« Sie hielt inne, und eine erstaunliche Reihe vergangener Begebenheiten, die sie meist mit ihrer Schwester erlebt hatte, zog an ihrem inneren Auge vorüber. »Unter den allermeisten Umständen.«
»Ehrlichkeit ist eine wunderbare Eigenschaft.« Er verkniff sich ein Lächeln. »Jedenfalls meistens.«
»Daher fühle ich mich gehalten, Ihnen reinen Wein einzuschenken. Ich möchte nicht, dass Sie daraus, dass ich mich von Ihnen begleiten lassen, falsche Schlüsse ziehen.«
»Ich begleite Sie lediglich zu einem Imbiss«, meinte er milde. »Ich würde dies kaum als Absichtserklärung verstehen.«
»Selbstverständlich nicht.« Sie erreichten die Tische, die sich unter der Vielzahl köstlicher Speisen, unter anderem einer verlockenden Auswahl von Desserts, förmlich bogen. Cassie nahm kaum Notiz davon. »Ich will damit nicht sagen ... Egal.« Sie ließ seinen Arm los und sah ihm in die Augen. »Lord Berkley, ich versuche Ihnen zu erklären, dass ich Ihnen - trotz der offensichtlichen Absicht meines Bruders, uns im Hinblick auf eine zukünftige Verbindung einander vorzustellen - sagen muss, dass ich nicht, nun ja, interessiert bin.«
»Interessiert?« Er kniff verwirrt die Augen zusammen. »Was meinen Sie mit interessiert ?«
»An Ihnen.« Sie unterbrach sich. »Ach, ich meine ja nicht Sie als Person, ich meine Sie im weiteren Sinne. Der Typ von Mann, den Sie verkörpern. Ich habe einfach kein Interesse an einem Mann mit einem derartigen Ruf.«
»Einem schlechten Ruf?«, sagte er langsam.
»Genau.« Sie nickte und schenkte ihm ein freundliches Lächeln.
Er betrachtete sie nachdenklich. »Die meisten Frauen, die ich kenne, halten eine bestimmte Sorte von Männern, die dunklen gefährlichen und so weiter, für ziemlich aufregend.«
»Kein Zweifel, dass das auf Frauen aus Ihrem Bekanntenkreis zutrifft, deswegen sind sie ja mit Ihnen bekannt.« Sie sah ihm direkt in die Augen. »Für mich gilt das aber nicht. Ein Mann, der als Spieler und Trinker gilt und sich angeblich mit unzähligen unpassenden Frauen eingelassen hat -«
»Unzähligen?« Er klang überrascht - und sogar beglückt.
Sie runzelte die Stirn. »Das dürfte Sie doch kaum überraschen?«
»Nein. Nein, natürlich nicht.« Er bemühte sich, ein erfreutes Lächeln zu unterdrücken, was ihm nicht gelang. »Schließlich war ich dabei.«
Sie rümpfte verächtlich die Nase. »Jedenfalls habe ich kein Interesse an einem Mann mit einem Lebenswandel, der so locker und ausschweifend ist wie der Ihre. Ich finde Lebemänner und Lumpen ganz und gar nicht attraktiv. Außerdem habe ich nicht die Absicht, einen Mann zu bekehren oder ihn mir nach meinen Vorstellungen zurechtzuschnitzen. Nein, ich will einen Mann, der schon -«
»Rundum perfekt ist. Ideal.« Berkley kniff die Augen zusammen. »Das wollen Sie doch sagen.«
»Unsinn, den idealen Mann gibt es nicht.« Sie überlegte kurz. »Obwohl ich das vermutlich sagen wollte.«
»Verstehe.« Er sprach ruhig und unverbindlich.
»Das nehme ich an. Und wenn Sie auch viel netter sind, als ich erwartet hatte«, sie atmete tief ein, »passen Sie und ich einfach nicht zusammen.«
»Verstehe«, sagte er wieder.
»Ist das alles, was Sie zu sagen haben?«
Einen Moment lang hatte sie die abstruse Hoffnung, er werde ihr widersprechen. Verlangen, dass sie ihm eine Chance gab. Ihre Hand zu gewinnen. Ihr Herz. Natürlich war das eine lächerliche Vorstellung. Er
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